2020

Lapsis (2020)

Regie: Noah Hutton
Original-Titel: Lapsis
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Drama, Science Fiction, Satire
IMDB-Link: Lapsis


In einer alternativen Realität sind Quantencomputer der neue heiße Scheiß, den jeder haben muss. Für das Verlegen der Quantenkabeln braucht es jedoch die neue Berufsgruppe der Kabelverleger. Die rennen mit Kabelrollen auf fest vorgegebenen Routen durch den Wald und stöpseln die Kabeln an Hubs an. Je länger und aufwendiger die Route, desto mehr Kohle gibt es. Gleichzeitig marschieren quasi als Ansporn kleine Roboter die gleichen Routen entlang – und wer von einem solchen Roboter überholt wird, bekommt kein Geld ausgezahlt. Ray (Dean Imperial) nimmt, auch wenn er nicht sonderlich gut in Form ist, diesen Job an, um die teure Behandlung seines kranken Bruders zahlen zu können. Auf dem Weg lernt er andere Kabelverleger kennen, die aber seltsam reagieren, wenn er seinen Usernamen nennt. Während sich für gewöhnlich jeder selbst einen Namen aussuchen kann, wurde Ray der Name zugeteilt – und der Name scheint eine Vergangenheit zu haben. Erst die Gespräche mit der Kabelverlegerin Anna (Madeline Wise) bringen allmählich Teile dieser Vergangenheit ans Tageslicht. „Lapsis“ ist ein gemütlicher Film. Die meiste Zeit über hatschen Ray und seine Kompagnons durch die Landschaft, während sie Kabelrollen hinter sich herziehen, oder sie campieren pfadfindermäßig in Zeltlagern. Im Detail und zwischen den Zeilen offenbart sich aber eine subtile Gesellschaftskritik, die die alternative Realität nur so weit entfremdet, dass diese Kritik nicht mit dem Holzhammer, sondern mit der feinen Klinge geübt wird. Das ist vielleicht gleichzeitig auch der größte Schwachpunkt des Films: Gerade dieser subtile Zugang ist halt nicht wahnsinnig aufregend anzusehen. Allerdings steckt inhaltlich schon einiges drinnen (Ausbeutung der Arbeiter durch Großkonzerne, Verdrängung durch Automatisierung, das Sozial- und Medizinwesen der USA) – man muss nur ein Stück weit unter das Offensichtliche tauchen.


7,0 Kürbisse

(Foto: Slash Filmfestival)

Promising Young Woman (2020)

Regie: Emerald Fennell
Original-Titel: Promising Young Woman
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Drama, Thriller, Komödie, Krimi
IMDB-Link: Promising Young Woman


Anfang des Jahres mit dem Oscar für das beste Drehbuch ausgezeichnet, gibt es mit ordentlicher Corona-Verspätung Emerald Fennells Debütfilm „Promising Young Woman“ nun endlich auch bei uns in den Kinos zu sehen. Und was für ein Debüt das ist! Die von mir hochgeschätzte Carey Mulligan ist auf einem Rachefeldzug gegen die toxische Männerwelt, der auf der einen Seite herrlich überdreht wirkt und unglaublich unterhaltsam anzusehen ist, auf der anderen Seite aber einen bitteren Unterton aufweist und fast beiläufig unsere Gesellschaft bis ins Kleinste seziert. Fast jede Szene weist diese beiden Seiten auf. Das Unterhaltsame und das Bittere stehen gleichberechtigt nebeneinander, und es liegt an einem selbst, was man hiervon mitnimmt – im Idealfall beides. Worum geht’s? Die 30jährige Cassie, einst eine vielversprechende Medizinstudentin, jobbt untertags in einem Coffeeshop und stellt abends Männern nach, denen sie vorgaukelt, sturzbetrunken zu sein. Wenn diese nun die scheinbar einfache Gelegenheit für ein erotisches Abenteuer mitnehmen möchten, bereuen sie dies schon bald. Doch hinter dieser einfach wirkenden Story verbirgt sich eine gut begründete und hintergründige Rachegeschichte, die sich in all ihren Schichten nach und nach aufblättert. Grandios ist neben Mulligans Schauspiel und der perfekt eingesetzten Musik mit einigen großartigen Coversongs die Tatsache, dass Emerald Fennell, die neben der Regie auch für das prämierte Drehbuch verantwortlich zeichnet, die Grauschattierungen unseres komplexen Zusammenlebens aufgreift und sich nicht damit zufrieden gibt, einfach mal die Frau gegen die Männer austeilen zu lassen. Das Ende ist bitter und zynisch und befriedigend gleichermaßen. „Promising Young Woman“ ist ein Glücksfall von einem Film, der vordergründig beste Unterhaltung bietet und quasi über die Hintertür hochgradig relevante Themen verhandelt. Und jetzt ab ins Kino mit euch!


8,5 Kürbisse

(Bildzitat:: © 2019 – Focus Features, Quelle http://www.imdb.com)

Birds of Prey: The Emancipation of Harley Quinn (2020)

Regie: Cathy Yan
Original-Titel: Birds of Prey (and the Fantabulous Emancipation of One Harley Quinn)
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Action, Komödie
IMDB-Link: Birds of Prey (and the Fantabulous Emancipation of One Harley Quinn)


Als Mitglied des Suicides Squads bestach Margot Robbie als völlig durchgeknallte Harley Quinn sowohl im ersten als auch im zweiten Film und war quasi das verbindende Glied zwischen der David Ayer-Gurke und dem James Gunn-Trashfest. In „Birds of Prey“ unter der Regie von Cathy Yan ist sie nun auf Solopfaden unterwegs, nur um im Laufe des Films festzustellen, dass Freundschaften auch für Irre eine Wohltat sein können. Zunächst aber ist erst mal die Trennung vom Joker zu verdauen, und ganz ehrlich, wenn ich mir noch mal den völlig uncharismatischen Jared Leto-Joker aus dem ersten Suicide Squad-Film vor Augen halte, dann wundere ich mich schon ein bisschen, was sie an dem gefunden hat. Die Hyäne, die sie sich stattdessen anschafft, hat jedenfalls mehr gute Szenen als Jared Leto im ersten Film. Aber sei es, wie es sei, so eine Trennung hinterlässt Spuren – im Fall von Harley Quinn sind das Spuren der Verwüstung – und plötzlich befindet sie sich mitten in einer abenteuer- und explosionsreichen Suche nach einem Diamanten und muss sich um eine junge Kleptomanin kümmern, während ihr eine Polizistin, eine geheimnisvolle Armbrust-Jägerin, ein ziemlich verschenkter Ewan McGregor samt seiner Sängerin/Chauffeurin und ein paar rachsüchtige Kerle auf den Fersen sind. Der Rest ist unterhaltsames und gut gelauntes Actionkino mit dem bisschen Extra-Wahnsinn, den Margot Robbie einbringt. Die Formel funktioniert hier ganz passabel, auch wenn sie jetzt nicht sonderlich viele Kreativitätspunkte bringt und die Story selbst mehr eine Ausrede dafür ist, möglichst viele Schlägereien und Schießereien anzuzetteln. Immerhin darf mal geballte Frauenpower der Männerwelt den Arsch versohlen, und das tun die Damen mit viel Verve und coolen Sprüchen, die das auf der Leinwand/dem Bildschirm Gesehene so selbstverständlich macht, wie es in der heutigen Zeit eigentlich auch sein sollte.


5,5 Kürbisse

(Bildzitat:: Quelle http://www.imdb.com)

Fuchs im Bau (2020)

Regie: Arman T. Riahi
Original-Titel: Fuchs im Bau
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Drama
IMDB-Link: Fuchs im Bau


Will man erklären, worum es in Arman T. Riahis neuem Film geht, kann man sich so behelfen: Man stelle sich „Dangerous Minds“ vor, ergänze das durch „Club der toten Dichter“, würze das mit einer Prise österreichischem Filmpessimismus und versetze die Geschichte in einen Jugendknast. Dann hat man einen ganz guten Eindruck, was einen in „Fuchs im Bau“ erwartet. Spannend ist jedenfalls, dass der Film in der Tonalität so gänzlich anders als Riahis voriger Film Die Migrantigen wirkt, obwohl er sich mit diesem sogar den Hauptdarsteller Aleksandar Petrovic teilt – der ebenfalls ganz andere Töne anschlägt als in der satirischen Migrantenkomödie. Als neuer Gefängnislehrer Hannes Fuchs schleppt er jede Menge eigener Probleme in den schon ohnehin problembehafteten Gefängnisunterricht. Er soll die alteingesessene Lehrerin Berger (Maria Hofstätter, wie gewohnt souverän) ablösen, doch ehe er daran überhaupt denken kann, muss er erst mal lernen, sich durchzusetzen in einer Klasse voller Jugendlicher mit Gewaltproblemen und ohne Zukunftsperspektiven. Über die burschikose Samira (mitreißend: Luna Jordan), die zusätzlich zu ihrer Gefängnisstrafe noch tiefer liegende Probleme mit sich herum trägt, findet der aus einem Ereignis in der jüngeren Vergangenheit selbst traumatisierte Fuchs allerdings allmählich Zugang zu diesem Milieu. Man merkt es an meiner Wortwahl: Probleme, Probleme, Probleme. Die ziehen sich als rote Linie durch den Film. Kaum jemand, der nicht mindestens ein paar Jahr guter Gesprächstherapie notwendig hätte. Ausgenommen vielleicht Tara Ketabi (Sibel Kekilli) von der Jugendgerichtshilfe, die aber nicht nur deswegen wie ein Fremdkörper wirkt – Sibel Kekilli spielt erstaunlich konsequent an allen Anderen vorbei, als wäre sie wortwörtlich im falschen Film. Außerdem macht es sich Riahi zur Aufgabe, möglich nichts direkt zu erzählen, sondern alle Hintergründe, die vielleicht für ein tieferes Verständnis der Figuren hilfreich (und manchmal auch notwendig) wären, anzudeuten. Viele Fragen bleiben offen. An sich mag ich dieses indirekte Erzählen ja sehr, aber hier gerät es zum Manierismus. Dass „Fuchs im Bau“ dennoch über die ganze Handlung hinweg interessant bleibt, spricht dann wiederum für seine Qualitäten als Filmmacher.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

A Quiet Place 2 (2020)

Regie: John Krasinski
Original-Titel: A Quiet Place: Part II
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Horror, Thriller, Science Fiction
IMDB-Link: A Quiet Place: Part II


Wenn man in Deutschland jemand auffordern möchte, leise zu sein, tut man das in der Regel mit einem „Pssst!“. Das funktioniert in Österreich auch, aber wir Wiener haben da mal wieder kreativere Wörter und Ausdrucksweisen gefunden, die man stattdessen verwenden kann. Ein herzhaftes „Gusch, du Heisl!“ böte sich da an. Auch ein grantiges „Sei stad!“ erfüllt den Zweck. Nicht zu verwechseln übrigens mit dem Wort „hocknstad“ als Synonym für „arbeitslos“. Ja, Sprache schlägt manchmal wunderliche Kapriolen. Jedenfalls kann man das „Gusch!“ nur allen Protagonist:innen von „A Quiet Place 2“ mitgeben, aber man muss das nicht unbedingt tun, denn der Film setzt nahtlos den ersten Teil fort, und insofern wissen Emily Blunt & Co. schon Bescheid. Selbst das leiseste Geräusch kann das letzte sein, was du in dieser Welt machst. Denn die ist ziemlich entvölkert bzw. bevölkert von fiesen Außerirdischen, die zwar blind wie Maulwürfe sind, aber dafür ein besseres Gehör als meine Katzen haben, wenn ich die Lade öffne, in der sich die Leckerlis befinden. „A Quiet Place 2“ fügt der (interessanten) Ausgangsbasis des ersten Teil nicht viel Neues hinzu. Das macht aber nichts. Denn der Film funktioniert über den nervenzerfetzenden Spannungsbogen und die geniale unterlegte Geräuschkulisse. Jedes Knirschen eines Fußes auf dem Kies kann zur Todesfalle werden. Schön ist, dass die gehörlose Tochter Regan (großartig gespielt von der tatsächlich gehörlosen Millicent Simmonds) hier die Hauptlast des Handlungsstranges wuchtet, denn gerade mit ihrem Charakter fiebert man aufgrund ihres Defizits besonders mit. Dafür hätten den nervigen Sohn (Noah Jupe) gerne gleich zu Beginn die Monster holen können. Aber gut. Ein fetzendeppertes Kind braucht jeder Horrorfilm. Und natürlich ist auch dieser Film nicht frei von (teils auch gröberen) Logiklöchern – auch etwas, was fast alle Horrorfilme vereint. Ist „A Quiet Place 2′“ nun besser oder schlechter als der Vorgänger? Ich würde sagen, die beiden Filme bewegen sich auf einem sehr ähnlichen Niveau. Während der erste Teil noch mehr die Schrecken der Welt erkundet hat, handelt der zweite Film mehr von einem Zurückerobern des verlorengegangenen Lebensraums und erzählt damit die Geschichte konsequent weiter. Sauspannend sind beide Filme, also gibt es für beide auch die gleiche Wertung.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Photo by Photo Credit: Jonny Cournoyer – © 2019 Paramount Pictures, Quelle http://www.imdb.com)

Miss Marx (2020)

Regie: Susanna Nicchiarelli
Original-Titel: Miss Marx
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Drama, Biopic
IMDB-Link: Miss Marx


Punk ist nicht tot. Punk macht jetzt Biopics. Auf diese Idee kommt man jedenfalls, wenn man sich Susanna Nicchiarellis „Miss Marx“ ansieht. Nicchiarelli hat ja mit Nico, 1988 schon einen wertvollen Genrebeitrag geliefert. „Miss Marx“, die das Leben der jüngsten Tochter von Karl Marx nach dessen Tod beleuchtet, kommt da nicht ganz heran. Wie in „Nico, 1988“ weiß die Hauptdarstellerin, in diesem Fall Romola Garai, zwar zu überzeugen, und auch die punkigen Soundtrack-Einschübe lockern den Film einerseits auf und untermalen andererseits das Anderssein der Rebellin und Sozialistin, aber phasenweise mäandert der Film dann doch recht ziellos durch die Gegend. Allerdings wird er dabei nie langweilig oder banal – das muss man Nicchiarelli klar zu Gute halten. Nur verfranst sie sich manchmal zwischen den Themen „Eleonor Marx als sozialistische Kämpferin gegen die Ausbeutung“, „Eleonor Marx als Stütze in einer schwierigen Beziehung mit dem Künstler Edward, der mit Geld nicht umgehen kann“, „Eleonor Marx mit der Bürde des langen Schatten, die ihr Vater und enger Freund Friedrich Engels geworfen haben“ und „Eleonor Marx als liebevolle Tante, die aber immer wieder ihre familiären Beziehungen zurückstellt“. Nicchiarellis Eleonor Marx möchte alles sein und ist damit nichts wirklich. (Möglicherweise hatte Punk das gleiche Problem.) Ich denke, am Ende ist das dann auch genau die Aussage, die hängenbleiben soll und die das Ende nachvollziehbar macht. So gesehen wird das Ziel erreicht, ein wenig mehr Fokus hätte „Miss Marx“ aber dennoch gut getan und aus einem guten, sehenswerten Film einen großartigen machen können.


6,5 Kürbisse

(Foto: Filmladen Filmverleih)

Minari – Wo wir Wurzeln schlagen (2020)

Regie: Lee Isaac Chung
Original-Titel: Minari
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Drama
IMDB-Link: Minari


Der 1. November 2020, die Urania in Wien. Zum letzten Mal für lange Zeit sitzen der Filmkürbis und viele andere in einem Kinosaal. Das hätten wir uns damals alle nicht gedacht, dass der nächste Kinobesuch über ein halbes Jahr auf sich warten lassen würde. Diese Woche war es aber endlich wieder soweit, und mit dem mehrfach oscarnominierten „Minari“ von Lee Isaac Chung fiel der Neustart qualitativ auch gleich sehr befriedigend aus. Stark autobiografisch geprägt erzählt der Film von einer koreanischen Auswandererfamilie, die in Arkansas eine Farm gründet – mit all den Schwierigkeiten, die bei einem solchen Unterfangen zu erwarten sind. Rassismus ist (mit Ausnahme einer eher unschuldigen, der Neugierde entstammenden Szene unter Kindern) überraschenderweise keine davon, und das tut dem Film auch sehr gut. Chung konzentriert sich lieber auf die familiären Herausforderungen, die entstehen, wenn der Familienvater (Steven Yeun), der sein Leben lang als einfacher Arbeiter verbracht hat, endlich auf eigenen Füßen stehen und Erfolg haben möchte. Die Verlorenheit seiner Frau (Han Ye-ri) kann man gut nachvollziehen. Erst der Einzug der Großmutter (Yoon Yeo-jeong, höchst verdient mit einem Oscar für ihre Leistung geadelt) bringt trotz anfänglicher Schwierigkeiten die Familie wieder näher zusammen. „Minari“ hat seine komischen Momente, vor allem, wenn Will Patton als verwirrter, aber fleißiger Paul auf der Leinwand auftaucht, oder wenn Großmutter Soon-ja so ganz und gar nicht großmütterlich die Familie aufmischt, aber es sind die stillen Momente, die „Minari“ definieren. Das Streben nach Glück wird zur Zerreißprobe, und der Film beschönigt in dieser Hinsicht nichts, ohne zu dramatisieren. Gleichzeitig ist auch immer Raum für Hoffnung. Es liegt an uns selbst, was wir aus unserem Leben machen. Ein schöner Film, der sich die große Leinwand redlich verdient hat.


7,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Love and Monsters (2020)

Regie: Michael Matthews
Original-Titel: Love and Monsters
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Abenteuerfilm, Komödie, Action, Science Fiction
IMDB-Link: Love and Monsters


Manchmal ist es bei Filmtitel sehr simpel: You get what you see. „Snakes on a Plane“ ist so ein Beispiel. „Love and Monsters“ von Michael Matthews ein anderes. Es geht um die Liebe. Und um Monster. Und wie man Letztere überwindet, um Ersteres zu bekommen. So einfach ist das. Also geht es im Film nur darum, dass der eher patscherte Joel (Dylan O’Brien) nach der Apokalypse 80 Meilen durch monsterverseuchtes Land latscht, um seine Jugendliebe Aimee (Jessica Henwick) wiederzufinden. Ihm zur Seite stehen dabei ein oscarverdächtig aufspielender Hund und zeitweise der mürrische Survivalexperte Clyde (Michael Rooker) sowie das junge Mädel Minnow (Ariana Greenblatt). Wer da an „Zombieland“ denkt, hat jedenfalls die gleichen Assoziationen wie ich. Überhaupt ist der Film – böse gesagt – ein Rip-Off des saukomischen Zombie-Krachers von Ruben Fleischer. Originelle eigene Ideen sucht man hier vergebens. Am ehesten macht der Film noch eine überraschende Schleife im letzten Drittel, aber auch diese Entwicklungen reißen den routinierten Filmschauer nicht aus dem Sofa. Was aber dann doch für „Love and Monsters“ spricht, ist der Unterhaltungswert. Er ist flott inszeniert, wird von Dylan O’Brien in der Hauptrolle gut getragen und das Monster-Design ist liebevoll und eher zum Schmunzeln als zum Fürchten anregend umgesetzt. Im Vergleich zu „Zombieland“, und ja, wie schon gesagt, diesen Vergleich muss sich „Love und Monsters“ jedenfalls gefallen lassen, kommt der Humor aber etwas zu kurz, und auch die Charaktere sind in „Zombieland“ denkwürdiger. Aber gut, Woody Harrelson ist nun mal Woody Harrelson – ein Michael Rooker kann da beim besten Willen nicht mithalten. Unterm Strich bleibt also „Love and Monsters“ aufgrund fehlender Originalität und nur sparsam eingesetztem Humor doch unter seinen Möglichkeiten, aber für einen unterhaltsamen Filmabend reicht es allemal. (Im Bild oben ist übrigens keines der angesprochenen Monster zu sehen – nur zur Klarstellung.)


5,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Soul (2020)

Regie: Pete Docter
Original-Titel: Soul
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Animation
IMDB-Link: Soul


Am Ende kriegen sie einen doch. Monatelange habe ich das Disney+ Abo verweigert, da ich nicht eingesehen habe, warum ich neben Netflix und Amazon Prime noch für einen dritten Streaming-Anbieter zahlen soll. Das mit den unterschiedlichen Streamingdiensten franst allmählich aus wie meine Figur nach den Weihnachtsfeiertagen. Aber dann möchte man sich einfach wieder mal gepflegt alle Star Wars-Filme reinziehen, rechnet das durch und kommt zähneknirschend zu dem Schluss, dass es jedenfalls sinnvoller ist, einen Monat lang seinen Obolus an den Konzern mit der Maus abzutreten als Amazon das Geld für jeden Film einzeln nachzuwerfen. Und wenn man schon seine Seele an Micky Maus verkauft hat, kann man auch gleich nachholen, was man zuletzt aus der Disney-Schmiede verpasst hat. So etwa den aktuellen Oscar-Gewinner für den besten Animationsfilm. Gleich vorweg: Die Animationen von „Soul“ sind über jeden Zweifel erhaben. Pixar zeigt, wie lebensnah Animationskunst heute sein kann. Und mit Pete Docter sitzt jemand im Regiestuhl, der für einige der größten Meisterwerke der Animationsfilmgeschichte (und vielleicht der Filmgeschichte generell) verantwortlich zeichnet. So gesehen ist alles angerichtet für ein seelenvolles Abenteuer für Jung und Alt. Und der Film liefert. Die Geschichte des Musiklehrers Joe, der ausgerechnet an dem Tag, an dem er die Chance seines Lebens erhält, am Abend in einem angesagten Jazzclub mit einem Superstar der Szene zu musizieren, durch eine Unachtsamkeit das Zeitliche segnet und nun als Seelen-Mentor für die unvermittelbare Seele Nr. 22 auf die Erde zurückzukehren versucht, bietet einiges an Gedankenfutter, ohne dabei auf den Unterhaltungswert zu vergessen. Pete Docter geht dabei der Frage nach, was denn unser innerer Funke ist, der unser Leben erst lebenswert macht – und wie man diesen findet. Da das nicht der einfachste Stoff ist, den man mit filmischen Mitteln verarbeiten kann, gilt „Soul“ wohl zurecht als bisher „erwachsenster“ Film der Pixar Studios. Auch wirkt der Humor diesmal etwas reduziert. Zwar gibt es genug zu schmunzeln und zu lachen – vor allem im Mittelteil des Films, als Joe und Seele 22 wieder auf der Erde landen, aber nicht so, wie sie sich das ausgemalt haben – doch geht es in „Soul“ eindeutig mehr um die Botschaft als den reinen Unterhaltungswert, und das passt schon so. Hier trifft der Film die richtigen Töne. Und apropos Töne: Die treffen auch Atticus Ross und Trent Reznor mit der Filmmusik, für die sie verdient ihren zweiten Oscar einheimsen durften (einfach mal nach „Just Us“ googeln – trust me!). Und doch – nach all diesem berechtigtem Lob für den Film muss ich festhalten, dass er mich wider Erwarten nicht so sehr berühren konnte wie andere Filme von Pixar. Ich kann nicht mal genau festhalten, woran es liegt – vielleicht wirkt das alles auf mich zu gewollt und zu konstruiert – aber irgendwie fehlt mir hier die Frische und ja, auch Originalität, für die ich Pixar-Filme so liebe. Unterm Strich ist für mich „Soul“ vielleicht keine Kopie, aber doch eine Fortführung der Ideen, die in Inside Out schon so genial umgesetzt wurden. „Soul“ ist ein toller Film, aber meine Favoriten bleiben dann doch andere.


7,5 Kürbisse

(Bildzitat: Photo by Pixar/PIXAR – © 2020 Disney/Pixar, Quelle http://www.imdb.com)

Mein Lehrer, der Krake (2020)

Regie: Pippa Ehrlich und James Reed
Original-Titel: My Octopus Teacher
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Dokumentation
IMDB-Link: My Octopus Teacher


Manchmal ist es so einfach. Du schnorchelst einfach jeden Tag im Meer zu deinem neuen besten Freund, der zeigt dir spannende Dinge und wie vielfältig und bunt das Leben ist, und du findest zu dir, zu deiner inneren Mitte, zu einer tiefen Ruhe. Und nebenbei erkennst du, dass du vielleicht nicht das cleverste Kerlchen in diesem Ozean bist. So ist es dem südafrikanischen Tierfilmer Craig Foster ergangen. Eigentlich wollte er beim Tauchen einfach nur ein bisschen abschalten, aber dann macht er die Bekanntschaft eines neugierigen Oktopus-Weibchens. Und zwischen dem Taucher, der jeden Tag wiederkommt, und dem Tier entsteht tatsächlich mit der Zeit eine Art Bindung, die Foster komplett neue Dinge über das Unterwasserlebewesen lernen lässt. Und nebenbei auch über sich selbst und sein Selbstverständnis als Filmemacher. „My Octopus Teacher“ (auf Deutsch übersetzt als „Mein Lehrer, der Krake“, was eher nach einem 70er-Jahre Lehrvideo aus dem Biologieunterricht klingt) mag vielleicht nicht das größte Schwergewicht unter den Dokumentationen der letzten Jahre sein, dennoch räumt der Film so ziemlich alle Preise ab, die man gewinnen kann, und geht auch in die diesjährige Oscarverleihung als Frontrunner. Und ich versteh’s. Denn der Film ist einerseits lehrreich und andererseits hochemotional und sensibel erzählt. Es ist so ein kleines, sympathisches Ding, das plötzlich und unerwartet groß geworden ist – und man vergönnt dem Film sämtliche Preise dieser Welt. Denn irgendwie brauchen wir das gerade in dieser seltsamen Zeit der Pandemie, der Isolation, der hysterischen Verschwörungstheoretiker und politischen Skandale – die Rückbesinnung auf das, was uns Menschen eigentlich ausmacht bzw. ausmachen sollte: ein Leben im Einklang mit der Natur, fernab esoterischer Spinnereien, einfach nur Mensch und Fauna und Flora, und irgendwie finden auf dieser seltsamen, immer noch so unergründlichen blauen Kugel alle ihren Platz für eine friedliche Koexistenz. Manchmal ist es so einfach.


7,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)