2013

The Bling Ring (2013)

Regie: Sofia Coppola
Original-Titel: The Bling Ring
Erscheinungsjahr: 2013
Genre: Satire, Komödie
IMDB-Link: The Bling Ring


Mit „Lost in Translation“ hat Sofia Coppola einen meiner Lieblingsfilme gedreht. „The Bling Ring“ kommt leider an die Qualität dieses Films nicht heran. Die Prämisse wäre eigentlich recht vielversprechend: Ein paar jugendliche Fashion-Victims brechen in die Häuser ihrer Idole wie Paris Hilton oder Lindsay Lohan ein und fladern, was in die Louis Vuitton-Tasche passt. Angelegt ist „The Bling Ring“ als satirischer Blick auf die Oberflächlichkeit, die der Jugend von heute durch ihre Role Models vermittelt wird. Alles, was zählt, sind die richtigen Markennamen und deren Darstellung auf Social Media-Accounts. Allerdings zündet der Film für mich nicht wirklich. Im Gegenteil – das wiederholte Zeigen der Einbrüche, und wie hier noch ein Kleid und dort noch eine Halskette anprobiert wird, nützt sich rasch ab und wird langweilig. Klar, man könnte nun behaupten, dass das Zeigen dieser Redundanzen als stilistisches Mittel verstanden werden kann – die Oberflächlichkeit der Handlungen spiegelt sich auf diese Weise filmisch wider. Allerdings hätte ich mir dann ein zumindest bissiges Ende gewünscht. Und ja, die Intention eines solchen ist durchaus spürbar, nur scheut Coppola dann doch davor zurück, so richtig den Hebel umzulegen. Und so bleibt diese Satire leider ein wenig zahnlos.


4,0
von 10 Kürbissen

Das erstaunliche Leben des Walter Mitty (2013)

Regie: Ben Stiller
Original-Titel: The Secret Life of Walter Mitty
Erscheinungsjahr: 2013
Genre: Komödie, Drama, Roadmovie
IMDB-Link: The Secret Life of Walter Mitty


Walter Mitty (Ben Stiller) ist der heldenhafte Retter von dreibeinigen Hunden, der abenteuerlustige Aussteiger, der das Herz der angebeteten Cheryl (Kristen Wiig) im Sturm erobert, der faszinierende Fremde, er ist eloquent und schlagfertig und mutig. Doch das ist er nur in seinem Kopf, wenn er Tagträumen nachhängt. Denn eigentlich ist Walter Mitty ein biederer Fotoarchivar für das LIFE-Magazin, der diese Abenteuer nur fantasiert. (In Österreich hat sich seit der  vermeintlichen K2-Besteigung des Extrembergsteigers Christian Stangl der Begriff des „Visualisierens“ durchgesetzt – ich nehme mal an, Stangl kennt den Film …) Auf seinem online-Dating-Profil bekommt Mitty keine Nachrichten, weil sein Profil zu langweilig ist. Die größte Aufregung in seinem Leben ist die geplante Umstrukturierung des Magazins. Da schickt ihm der mysteriöse, eigenbrötlerische Naturfotograf Sean O’Connell sein Meisterwerk als Negativ zu – dieses beste Foto, das er jemals gemacht hat, die Quintessenz des Lebens, soll auf das letzte Titelblatt des LIFE-Magazins, ehe die Printausgabe eingestellt wird und das Magazin nur noch online fortgeführt wird. Das Problem bei der ganzen Geschichte: Unter all den Negativen, die Sean O’Connell an Walter Mitty geschickt hat, ist genau dieses Foto nicht zu finden. So bleibt Walter Mitty nichts Anderes übrig, als selbst auf die Suche nach Sean O’Connell und diesem Foto zu gehen – eine Reise, die ihn via Grönland und Island bis nach Afghanistan führt. Walter Mitty wird gnadenlos aus sämtlichen Komfortzonen hinausgeworfen. „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ ist ein sympathischer Film mit einer Hauptfigur, mit der ich mich selbst sehr gut identifizieren kann, neige ich doch selbst zu Tagträumen. Das einzige Problem, das der Film hat, ist die Überzeichnung der realen Ebene. Hier kann man schon mal mit einem Skateboard innerhalb von 10 Minuten in eine viele Kilometer entfernte Ortschaft sausen oder mit Fäusten gegen Haie kämpfen. So wird der Film phasenweise zu einer Karikatur seiner selbst. Dennoch: Wenn man über diesen Schwachpunkt wohlwollend hinweg sieht, ist der Film ein mitreißendes Plädoyer dafür, das Leben zu genießen und Risiken zu nehmen. Das Ende ist wundervoll und wieder sehr down to earth.


7,0
von 10 Kürbissen

https://www.youtube.com/watch?v=HddkucqSzSM

Nächster Halt: Fruitvale Station (2013)

Regie: Ryan Coogler
Original-Titel: Fruitvale Station
Erscheinungsjahr: 2013
Genre: Drama
IMDB-Link: Fruitvale Station


Der Sundance-Gewinner des Jahres 2013 erzählt den letzten Tag im Leben von Oscar Grant. Der junge Schwarze wurde in der Silvesternacht von 2008 auf 2009 im Zuge eines relativ beliebigen Zugriffs durch einen Polizisten nach einer Schlägerei in der Bahn in der Station Fruitvale Station erschossen. Dass „Fruitvale Station“ kein Feelgood-Film ist, wird relativ rasch klar. Der Fokus des Films liegt aber nicht auf der ungeheuerlichen Tat selbst und deren Konsequenzen, sondern auf dem Porträt des jungen Mannes, der kürzlich aufgrund seines Zuspätkommens seinen Job in einem Supermarkt verloren hat und sich einstweilen mit dem Dealen von Marihuana über Wasser hält, wovon aber seine Langzeitfreundin und ihre gemeinsame Tochter nichts wissen sollen. Oscar Grant ist aber kein Kleinganove. Er ist ein junger Mann ohne große Perspektiven, der sein Leben auf die Reihe bekommen und ein guter Mensch sein möchte, und dessen sozialer Status genau dieses verhindert. Der Film zeigt Oscar Grant als Mann mit Fehlern und Schwächen, aber auch mit Stärken, als jemand, der Liebe in sich trägt und ein Gefühl für Rechtschaffenheit, Loyalität und Mitmenschlichkeit. Michael B. Jordan verkörpert diesen gutherzigen, aber hart mit sich und den Umständen kämpfenden und damit auch ambivalenten Mann äußerst eindrucksvoll. Was man dem Film aber ein wenig ankreiden kann, ist eben diese Konzentration auf das schlichte Leben des Oscar Grant, der unschuldig Opfer dieser fürchterlichen Gewalttat wird. Die Konsequenzen dieser Tat werden nur ganz am Ende kurz angerissen und abgehandelt. Die für mich spannendere Frage wäre gewesen, wie die Familie, wie die Freunde mit einem solchen Trauma umgehen. Wie die Öffentlichkeit darauf reagiert hat. Wie geht man mit dem Hass um, den man auf den Polizisten, der den tödlichen Schuss abgegeben hat, um? Wie geht der Polizist mit seiner Tat um? Angeblich hat er Pistole und Taser verwechselt, und wollte den aufgebrachten Grant nur ruhigstellen. Wie sieht es in ihm aus? Wie spielt das Thema Alltagsrassismus da hinein? Diese Frage beantwortet der Film nicht, er stellt sie nicht einmal. Und so bleibt „Fruitvale Station“ ein einfühlsames Porträt eines durchschnittlichen, amerikanischen Mittelschicht-Schwarzen mit all dessen Problemen sowie das Protokoll einer ungeheuerlichen Tat, aber den großen, den wichtigen Fragen zum Danach weicht er dann doch aus.


7,0
von 10 Kürbissen

https://www.youtube.com/watch?v=CxUG-FjefDk

Nebraska (2013)

Regie: Alexander Payne
Original-Titel: Nebraska
Erscheinungsjahr: 2013
Genre: Drama, Roadmovie, Komödie
IMDB-Link: Nebraska


Wenn sich der starrköpfige und wohl schon zu Demenz neigende Vater in den Kopf gesetzt hat, dass er einen Lottogewinn gemacht hat, den er in seiner alten Heimat in Nebraska persönlich abholen muss, dann muss der erfolglose und mit vielerlei privaten Problemen geplagte Sohn halt ins Auto steigen und den alten Herrn dorthin kutschieren. Da nützen auch die schärfsten Proteste der pragmatischen Angetrauten des Millionärs in spe nichts, die, wie alle weiteren Protagonisten, nicht an den großen Gewinn glauben will. Was sich daraufhin entspinnt, ist eine wunderbar tragikomische, von allen Beteiligten herausragend gespielte Reise in die stille Weite Nebraskas und die traurigen Erinnerungen an die längst verflogene Jugend. Bruce Dern ist fantastisch als alter Starrkopf, der mal gerne das eine oder andere Bierchen über den Durst trinkt. Will Forte brilliert als sein stoischer Widerpart und überforderter Sohn, und immer, wenn June Squibb als Ehefrau und Mutter im Bild ist, stiehlt sie allen die Show (zurecht nominiert für den Oscar als beste Nebendarstellerin). Wie fast alle Filme von Alexander Payne weist auch „Nebraska“ den für ihn typischen lakonischen Humor auf, der die Abgründe und den Schmerz der Seele gekonnt bedeckt. Gefilmt in wunderschönen Schwarz-Weiß-Aufnahmen ist „Nebraska“ wohl sein ruhigster, vielleicht aber auch sein eindrücklichster Film.


8,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Polyfilm)

Joe – Die Rache ist sein (2013)

Regie: David Gordon Green
Original-Titel: Joe
Erscheinungsjahr: 2013
Genre: Drama
IMDB-Link: Joe


Mit Nicolas Cage ist es ja so eine Sache. Er kann genial sein. Oder aber auch unglaublich nervig. In „Joe“ von David Gordon Green ist er glücklicherweise wieder mal Ersteres. Er spielt einen Redneck und Trinker, der sich als Waldarbeiter über Wasser hält. Eines Tages macht er die Bekanntschaft mit dem 15jährigen Gary, der aus einer zerrütteten Familie kommt. Der Vater (unfassbar gut und intensiv gespielt von Gary Poulter) ist ein nutzloser, gewaltbereiter Alkoholiker, der die ganze Familie tyrannisiert. Joe erkennt in Gary eine Art zweite Chance bzw. die Möglichkeit, den Jungen auf einen anderen Pfad zu führen als er selbst einst eingeschlagen hat. Allerdings macht ihm der unberechenbare Vater einen Strich durch die Rechnung.

„Joe“ ist ein stilles, exzellent gespieltes Drama, das sich in den unteren Schichten der USA entspinnt. Hart arbeitende, aber am Leben scheiternde Menschen trinken, vögeln, fluchen, und Menschenwürde ist nur ein Treppenwitz. Dennoch blitzt immer wieder das Bemühen auf, seinem Leben eine andere Wendung zu geben, die Dinge besser zu machen, wenn man nur diese eine Chance hätte. Getragen wird der Film zudem vom schon erwähnten Gary Poulter, der das Kunststück zustanden bringt, Dämon und Mensch gleichzeitig zu sein. Traurige Wahrheit: Gary Poulter war tatsächlich ein Obdachloser und Trinker, der auf der Straße für diesen Film entdeckt wurde. Die Filmpremiere erlebte er nicht mehr. Kurz vor der Veröffentlichung des Films starb er so, wie er gelebt hatte: Auf der Straße in der Nähe eines Obdachlosenheims.


8,0
von 10 Kürbissen

https://www.youtube.com/watch?v=3WPLVEUx5AU

Night Moves (2013)

Regie: Kelly Reichardt
Original-Titel: Night Moves
Erscheinungsjahr: 2013
Genre: Drama, Politfilm
IMDB-Link: Night Moves


Night Moves von Kelly Reichardt war mein erster Viennale-Film überhaupt. Für diesen Beginn im Jahr 2013 hätte es schlechtere Filme geben können, aber auch deutlich bessere. Die US-amerikanische Filmemacherin erzählt in diesem Politdrama auf eine für sie übliche langsame Art und Weise die Geschichte dreier junger Öko-Aktivisten (gespielt von Jesse Eisenberg, Dakota Fanning und Peter Sarsgaard), die einen Anschlag auf einen Staudamm durchführen. Am Tag danach erfahren sie, dass ihre nächtliche Aktion nicht folgenlos geblieben ist und müssen sich nun mit nagenden Gewissensbissen herumplagen. Das alles wird sehr ruhig erzählt. Die drei jungen Zukunftsgestalter fahren durch die Nacht, planen, sitzen herum, vergewissern sich noch einmal, dass sie das tatsächlich tun, und der eigentliche (terroristische) Akt wird nebenbei abgehandelt, als ginge es gar nicht darum. Die Geschichte plätschert vor sich hin und ist eher in den gequälten Gesichtszügen Jesse Eisenbergs zu erahnen als dass man sie tatsächlich auf der Leinwand oder dem Bildschirm verfolgen kann. Die Frage nach Schuld trotz guter Absichten drängt sich auf. Allerdings bleiben mir die Figuren aufgrund des distanzierten Blicks fremd und gleichgültig. Dass sie nicht unbedingt als Sympathieträger gezeichnet werden, hilft auch nicht wirklich. Insgesamt ein Film, den man sich ansehen kann, wenn er mal läuft, aber wenn man ihn auslässt, hat man auch nichts falsch gemacht.


5,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Stadtkino)