2012

Lotte Reiniger – Tanz der Schatten (2012)

Regie: Rada Bieberstein, Susanne Marschall und Kurt Schneider
Original-Titel: Lotte Reiniger – Tanz der Schatten
Erscheinungsjahr: 2012
Genre: Dokumentation
IMDB-Link: Lotte Reiniger – Tanz der Schatten


Lotte Reinigers Meisterwerk „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ war einer der ersten abendfüllenden Trickfilme der Filmgeschichte und ist heute noch wegweisend für Trickfilmtechnik. In „Lotte Reiniger – Tanz der Schatten“ wird die Geschichte dieser bemerkenswerten Filmpionierin erzählt. Mit einfacher Scherenschnitttechnik und einem Übermaß an Fantasie schuf sie zeitlose Animationen mit viel Seele und Herz. Die Dokumentation beleuchtet dabei sowohl ihre Arbeit als auch ihren Lebensweg. Beides allerdings leider arg zusammengedampft und nicht in die Tiefe gehend. Die Stationen ihres Lebens werden in einer recht trockenen Montage herunter erzählt. Mich hätte noch viel mehr interessiert, was diese Frau selbst zu sagen hat über ihre Motivation, ihre Ideen, die Herkunft ihrer Kreativität, die man jedem Schnitt anmerkt. Leider scheint es dafür nicht ausreichend Archivmaterial mit Interviews der 1981 verstorbenen Filmemacherin zu geben. Und die Aussagen von Wegbegleitern, Biographen und Museumskuratoren bleiben oberflächlich und dienen kaum dazu, das Bild, das sich der Zuseher von Lotte Reiniger macht, zu schärfen. So ist diese Dokumentation seltsam kühl anzusehen, fast wie ein Lehrstück, das man im Unterricht gelangweilten Schülern vorführt. Natürlich bleibt der Film inhaltlich interessant, weil Lotte Reiniger selbst eine interessante Frau war – aber man muss sich damit abfinden, dass das Bild oberflächlich bleibt, und Lotte Reiniger selbst am besten wohl wirklich durch ihre Filme entdeckt werden kann.


5,5
von 10 Kürbissen

https://www.youtube.com/watch?v=OVl_gH45gus

Hemel (2012)

Regie: Sacha Polak
Original-Titel: Hemel
Erscheinungsjahr: 2012
Genre: Drama, Episodenfilm, Erotik
IMDB-Link: Hemel


Das wäre etwas fürs alljährliche Viennale-Bingo gewesen! Gleich in der ersten Szene hätte man frohgemut „Brüste“ und „Penis“ abhaken können. Denn da steigt Hemel (das niederländische Wort für Himmel) textilfrei in den Ring mit einem gewissen Joris und seinem Jorischen. Das soll allerdings nicht der einzige Bettentango sein, denn bereits im nächsten Kapitel („Hemel“, der Film, ist in kurzen Episoden erzählt, in Schlaglichtern auf das Leben der Protagonistin) turnt Hemel mit einem Algerier über die Matratzen. Schon wird ein Muster deutlich: Die junge Hemel (Hannah Hoekstra) ist selbstbewusst, promiskuitiv und eiskalt. Der gerade Verflossenen ihres Vaters (Hans Dagelet) bringt sie nicht mehr Mitgefühl entgegen als einem verschmutzten Pflasterstein. Doch nach und nach zeigen sich Risse in dieser glatten, kontrollierten Oberfläche. Als sich ihr Vater ernsthaft verliebt, kann sie damit nicht umgehen. Es wird klar, dass sie selbst im Grunde auch nur auf der Suche nach Liebe und Geborgenheit ist. Und so wird „Hemel“ nach dem freizügigen Beginn dann doch ein recht stiller, nachdenklicher Film über eine verletzliche junge Frau, die ihre zarte Seite hinter einem Schutzpanzer verbirgt. Hannah Hoekstra spielt diese vielen Nuancen ihrer Figur ausdrucksstark und glaubhaft. Auch Hans Dagelet als ihr Vater und Mark Rietman als einer von Hemels Liebhabern können überzeugen. Psychologisch steckt viel drin in diesem Film – der Vaterkomplex als das offensichtlichste Thema. Aber auch darüber hinaus gibt es einiges, worüber man später auch noch nachdenken kann. Dass mich „Hemel“ dennoch nicht auf der ganzen Linie überzeugt hat, liegt an einigen Details wie beispielsweise der episodenhaften Erzählweise, die sich manchmal auch in Banalitäten verstrickt, die den Film zwischenzeitlich langatmig machen. Zudem ist das Thema der jungen Frau, die Liebe mit Sex verwechselt, nicht unbedingt neu oder originell, und abgesehen davon, dass die Psychologie der Figuren ganz gut ausgearbeitet scheint, fügt der Film dem Topos der Selbstfindung junger Frauen keine zusätzliche Nuance hinzu.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 60 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


6,0
von 10 Kürbissen

Oh Boy (2012)

Regie: Jan-Ole Gerster
Original-Titel: Oh Boy
Erscheinungsjahr: 2012
Genre: Drama, Komödie
IMDB-Link: Oh Boy


Berlin. Ich bin gern dort. Ich bin aber auch genauso gern wieder raus aus Berlin. Irgendwie ist die Stadt nie richtig fertig. Irgendwie ist man nie richtig angekommen. Irgendwie treibt alles so ziellos dahin. Und das führt mich zu Niko, toll gespielt von Tom Schilling. Der treibt auch so dahin. Er hat mal studiert, hat aber sein Studium abgebrochen. Beziehungen bricht er auch ab, bevor es ernst wird. Er muss dringend weg. Woanders hin. Er weiß nicht, wohin, aber erst einmal weg. Einen Kaffee trinken vielleicht. Doch das gestaltet sich komplizierter als man es erwarten würde. (Auch so ein Berlin-Ding: Die Stadt ist kompliziert.) Niko braucht Geld, also redet er mit seinem Vater. Niko braucht Ablenkung, also zieht er mit einem Kumpel durch die Gegend und lässt sich von der Bekannten aus der Jugendzeit, die er einst verspottet hat, beflirten. Niko ist passiv – ihm passiert alles, und gleichzeitig passiert ihm auch nichts. Das ist meistens recht komisch anzusehen, wobei das Lächeln auf den Lippen des Zusehers immer auch als verkniffene Bitternis verstanden werden kann, manchmal ist es auch einfach nur tragisch. Und damit ist „Oh Boy“ – trotz aller Überzeichnung – auch ein Porträt der heutigen Zeit, in der man vor lauter Möglichkeiten zu keinen Entscheidungen mehr findet. Ein schönes Sinnbild, gemalt in schwarz-weißen Bildern und auf dem Gesicht des stoischen Tom Schilling. Am Ende fehlt vielleicht ein bisschen die Substanz, die finale Botschaft, die noch zum Weiterdenken anregen könnte, und so wirkt der Film eben auch ein bisschen wie Berlin selbst nach: Nicht ganz fertig, mit Baustellen, so ein bisschen ziellos eben. Aber dennoch immer wieder einen Besuch bzw. eine Sichtung wert.


6,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Filmladen)

Snow White and the Huntsman (2012)

Regie: Rupert Sanders
Original-Titel: Snow White and the Huntsman
Erscheinungsjahr: 2012
Genre: Abenteuerfilm, Action, Fantasy
IMDB-Link: Snow White and the Huntsman


„Spieglein, Spieglein an der Wand, was ist die beste Schneewittchen-Verfilmung im Land?“. Leider nicht „Snow White and the Huntsman“, das eine alternative Version der Schneewittchen-Geschichte erzählt, obwohl es durchaus interessante Ansätze aufweist. Hier ist Schneewittchen keine singende und mit den Vögeln zwitschernde Märchenprinzessin, sondern ein toughes Mädel, das sich zur Not selbst auch in den Harnisch schmeißt. Die Zwerge haben keine putzigen großen Nasen, sondern sind zynische Ganoven, die auch in der Schlacht um Helms Klamm in „Der Herr der Ringe“ eine gute Figur abgegeben hätten. Und der Jäger bekommt seine eigene, tragische Geschichte und weicht dem wehrhaften Schneewittchen nicht mehr von der Seite. Zwar ist der Versuch, dem angestaubten Märchenstoff ein bisschen Feuer unterm Hintern zu machen, durchaus als ehrenwert zu bezeichnen, und die Schauwerte des Films fallen nicht zuletzt durch die geballte Starpower von Kristen Stewart, Charlize Theron und Chris Hemsworth ganz ordentlich aus, aber das Werk zündet dennoch nicht. Zu bierernst wird das ganze Spektakel abgespult. Ein bisschen mehr Selbstironie hätte dem Film gut getan. Aber so bleibt er halt Hollywood-Blockbuster-Dutzendware. Viel Äktschn. Wenig Hirn. Kann man sich an einem faden Sonntagabend ansehen (so wie ich gestern). Muss man aber nicht.


4,5
von 10 Kürbissen

Abraham Lincoln Vampirjäger (2012)

Regie: Timur Bekmambetow
Original-Titel: Abraham Lincoln: Vampire Hunter
Erscheinungsjahr: 2012
Genre: Action, Abenteuerfilm, Fantasy, Horror, Thriller
IMDB-Link: Abraham Lincoln: Vampire Hunter


In Timur Bekmambetows Historien-Drama wird das Leben und Wirken des wohl legendärsten US-amerikanischen Präsidenten nachgezeichnet. In weichen Sepia-Tönen erzählt der Film die bislang in den Geschichtsbüchern aus unerfindlichen Gründen verschwiegene Jugendzeit Abraham Lincolns, der, bevor er die Nation den Klauen eines fürchterlichen Bürgerkrieges zu entreißen und die Sklaven zu befreien versuchte, selbst tatkräftig anpackte, um das Land vor dem Bösen zu bewahren. Es ist eine Schande, dass der Geschichtsunterricht diese Episode aus dem Leben des Präsidenten übergeht, denn ich bin davon überzeugt, dass die Jagd auf Untote den Charakter Lincolns nachhaltig geprägt hat und ihn zu dem großen Staatsmann, der er später wurde, reifen ließ. Auch dass Lincoln in seinen Jugendjahren äußerst sportlich war und eine erstaunliche Begabung für den Umgang mit der Axt bewies, habe ich bis dato noch in keinem Geschichtsbuch gelesen. Ich bin Bekmambetow daher sehr dankbar, dass er diesen wunderbaren Historienfilm gedreht hat und mein Bild von Lincoln vielleicht nicht unbedingt geradegerückt, aber doch zumindest entscheidend ergänzt hat. Ich persönlich bin der Meinung, dass Daniel Day-Lewis für seine Verkörperung von Lincoln in diesem Film noch wichtige Anregungen erhalten hat. Der Oscar für Day-Lewis‘ Darstellerleistung gehört damit zumindest auch ein bisschen Bekmambetow und den Machern von „Abraham Lincoln Vampirjäger“. Nun bin ich gespannt auf die Verfilmung der wahren Geschichte von John F. Kennedy, der, wie ich gehört habe, die 87. Reinkarnation Buddhas gewesen sein soll. (Die 88. ist angeblich Donald Trump, aber so einen Blödsinn muss man wirklich nicht glauben.)


3,0
von 10 Kürbissen

https://www.youtube.com/watch?v=34x6m-ahGIo

Lions (2012)

Regie: Jazmín López
Original-Titel: Leones
Erscheinungsjahr: 2012
Genre: Drama, Fantasy
IMDB-Link: Leones


Sobald man begriffen hat, worum es geht, ist „Leones“, das Langfilm-Debüt der jungen argentinischen Regisseurin Jazmín López, tatsächlich gar nicht mal so übel. Das Problem ist, dass man erst nach dem Abspann, wenn man Tante Google bemüht hat, begreift, worum es geht. Bis dahin, also die 80 Minuten lang, die der Film dauert, sieht man fünf jungen Erwachsenen (zwei unglaublich gut aussehenden Mädels, drei etwas nerdigen Jungs) dabei zu, wie sie durch den Wald laufen. Die Kamera hängt quasi über ihrer Schulter und ist der sechste Ausflügler, hastet immer hinterher. Kann man ja mal machen, schöne Rücken können auch entzücken. Aber dann sollte der Pfadfinderausflug in den Wald halt generell Interessanteres zu bieten haben als eine Pistole, die in einem verlassenen Traktor gefunden wird, und die aber in weiterer Folge (trotz des Tschechow’schen Gesetzes) keine wesentliche Rolle mehr spielt. Zwischenzeitlich summt jemand „Do You Believe in Rapture“ von Sonic Youth, der dann auch im Abspann wiederkommt und damit dem Film noch einen nicht mehr erwarteten Energieschub verleiht, und man läuft halt durchs Gemüse. Wie gesagt, nachdem ich gegooglet habe, was der Film eigentlich erzählen möchte, fand ich die ganze Chose dann tatsächlich so halbwegs interessant. Aber wenn ein Film Google benötigt, damit man begreift, wo die fantastischen Aspekte, die er ankündigt, aufzufinden sind, und der sonst nur eine ermüdende, repetitive Wanderung zeigt, die schmerzhaft an unfreiwillige Sonntagsausflüge in der Kindheit erinnert, dann hat er definitiv etwas falsch gemacht.


3,0
von 10 Kürbissen