Thriller

Gegen den Strom (2018)

Regie: Benedikt Erlingsson
Original-Titel: Kona Fer Í Stríð
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Drama, Komödie, Thriller, Politfilm
IMDB-Link: Kona Fer Í Stríð


Es ist eine beschlossene Sache. Wenn ich im nächsten Leben nicht als Hauskatze wiedergeboren werde, dann werde ich Isländer. Ich bin dann ein begnadeter Handballer, extrem erfolgreich im Fußball, ein außergewöhnlicher und kreativer Musiker, züchte Schafe und Ziegen (und, ehrlich: gibt es ein lässigeres Tier als die Ziege?), meine Tochter heißt Freyja Kürbisdottir, ich habe international eine Vorbildwirkung in Politik und Integration, erfreue mich an den Haubentauchern im Garten, und meine Filme sind der absolute Hammer. Isländer können einfach alles. Selbst Haie vergammeln lassen, um sie dann zu essen. Aber gut, lassen wir das mit den Haien, konzentrieren wir uns lieber auf den diesjährigen Überraschungsfilm der Viennale, nämlich den Film „Gegen den Strom“ von Benedikt Erlingsson. Darin geht es um eine Frau in ihren Vierzigern, die als politische Guerilla-Aktivistin gerne mal das nationale Stromnetz lahmlegt, um die Schwerindustrie in die Knie zu zwingen, während sie sich gleichzeitig auf ihre Rolle als Adoptivmutter einer ukrainischen Kriegswaisen vorbereiten darf. Ein gefährlicher Spagat, denn ihre Aktionen werden immer tollkühner, und schon bald erklärt ganz Island den Krieg gegen die „Bergfrau“, wie sie sich in einem anonym gehaltenen Pamphlet bezeichnet. Dieser Kampf wird so lakonisch humorvoll wie dramatisch dargestellt, wie es wohl nur Isländer können. Eingebettet in faszinierende Landschaftsaufnahmen entfaltet sich eine Geschichte rund um Moral, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit – und um die Frage, zu welchen Mitteln man greifen darf, um der gerechten Sache zu dienen. Diese spannenden Fragen werden allerdings auf eine sehr unterhaltsame und pfiffige Weise angegangen. Da taucht dann auch immer wieder mal ein spanischer Tourist auf dem Fahrrad auf, der als Running Gag stets zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Oder aber der Soundtrack wird von der dreiköpfigen Band live im Geschehen eingespielt – da sitzt die Kombo auch schon mal am Hausdach und begleitet mit stoischem Gesichtsausdruck die Szene, wenn Hjalla, die Heldin, ihre Pamphlete vom Himmel regnen lassen möchte. Die Protagonistin und die Band wissen voneinander, blicken sich vielsagend zu, interagieren aber nicht darüber hinaus. Eine herrlich ironische Durchbrechung der vierten Wand. Es ist eben dieser staubtrockene Humor, diese Absurdität im Kleinen, die dem Film mit seiner tiefgründigen Handlung einen leichtfüßigen Unterbau bietet. Als Wiener bleibt mir abschließend nur zu sagen: Isländer sind einfach leiwand. (Hauskatzen aber auch.)


8,0
von 10 Kürbissen

(Foto: Polyfilm)

Bad Times at the El Royale (2018)

Regie: Drew Goddard
Original-Titel: Bad Times at the El Royale
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Thriller
IMDB-Link: Bad Times at the El Royale


Ein fast leeres Hotel an der Grenze zwischen Kalifornien und Nevada, das schon bessere Zeiten gesehen hat. Sieben Fremde in diesem Hotel, die allesamt ein doppeltes Spiel zu treiben scheinen. Ein paar Waffen. Ein paar Geheimnisse. Ein groß aufspielender Cast (Jeff Bridges, Cynthia Erivo, Dakota Johnson, Jon Hamm, Lewis Pullman, Cailee Spaeny, Chris Hemsworth). Einige Drinks. Regen. Eine Story, die zehn Jahre in die Vergangenheit zurückreicht. Und schwarzer Humor. Und schon brechen schlechte Zeiten im altehrwürdigen El Royale Hotel an. „Bad Times at the El Royale“ von Drew Goddard ist ein raffiniertes und wahnsinnig unterhaltsames Kammerspiel. Die Faszination leer stehender Hotels haben ja schon Stephen King respektive Stanley Kubrick begriffen und diese Kulisse genial genutzt. Hier bieten sich Räume, innerhalb derer sich die Geschichte entfalten kann – im doppelten Sinne. Zum Einen nimmt sich der Film tatsächlich Zeit für seine Charaktere, die er geschickt ineinander verschränkt. Zum Anderen öffnen sich im weitläufigen Hotel tatsächlich Türen zu Räumen, die man so nicht erwartet hätte. In der Dramaturgie weicht Goddard, der auch für das Script verantwortlich zeichnet, von den üblichen Pfaden ab. Die Geschichte wird in Kapiteln erzählt, die jeweils eine Figur ins Zentrum der Erzählung rücken. Dabei werden dann Vorgänge gerne auch mal doppelt geschildert – eben aus unterschiedlicher Perspektive. So eine Verschränkung kann auch mal ermüdend wirken. Nicht aber hier, denn Goddard behält die Fäden fest in der Hand. Und kann auf seine Darstellerinnen und Darsteller vertrauen, die in ihren Rollen Glanzleistungen abliefern, allen voran Jeff Bridges, der viele Facetten zeigen darf. Ein paar Abzüge kann man dem Film geben für seine letztendlich dann doch recht simple Geschichte, deren raffinierte Erzählweise ein wenig darüber hinwegtäuscht, dass der Plot selbst nicht sonderlich originell ist. Insgesamt aber ein sehr sehenswertes und höchst vergnügliches Werk für all jene, die es schätzen, wenn sich eine Geschichte Zeit nimmt, um sich zu entfalten.


7,5
von 10 Kürbissen

Nur ein kleiner Gefallen (2018)

Regie: Paul Feig
Original-Titel: A Simple Favor
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Thriller, Krimi
IMDB-Link: A Simple Favor


Erst einmal vorweg: Der Grund für den Besuch des bei uns im November anlaufenden „A Simple Favor“ (deutscher Titel: „Nur ein kleiner Gefallen“) in London war das Electric Cinema in der Portobello Road mit dem schönsten Kinosaal, in dem ich jemals gesessen bin. Ich wollte dort unbedingt einmal einen Film ansehen – und ich hätte mich auch hineingesetzt, wenn sie die „Teenage Mutant Ninja Turtles“ gezeigt hätten (die verhunzte Real-Verfilmung von Michael Bay). Dass der in diesem Kino gezeigte Film auch noch ein Thriller mit Blake Lively und Anna Kendrick mit komödiantischen Einlagen ist, der neben schönen Menschen auch noch Spannung und Plot-Twists verspricht, war ein netter Nebeneffekt, den ich gerne mitgenommen habe. Allerdings noch ein paar Worte zuvor zu Anna Kendrick: Ich halte sie für sehr talentiert (Oscarnominierung für „Up in the Air“), finde sie süß und witzig (bei schlechter Laune kann man ihr gerne mal auf Twitter folgen – es lohnt sich zumeist), aber in unseren bevorzugten Filmgenres finden wir uns nicht allzu oft wieder. Da haben wir unterschiedliche Geschmäcker, wie es aussieht. Und so konnte ich leider auch „A Simple Favor“, der prinzipiell von der Kritik ganz gut aufgenommen wurde, nicht viel abgewinnen. Anna Kendrick spielt Stephanie, eine alleinerziehende Mutter, die mit ihrem Perfektionismus und ihrem Hausfrauen-Vlog den anderen Eltern in der Schule auf die Nerven geht. Sie lernt die von Blake Lively gespielte mysteriöse, sarkastische und offensichtlich reiche Emily kennen, deren Sohn in die gleiche Klasse geht. Die beiden Frauen freunden sich miteinander an (eine Freundschaft besiegelt durch starke Martinis), und bald bittet Emily Stephanie um einen kleinen Gefallen: Sie hat etwas Dringliches im Büro zu erledigen – ob Stephanie nicht ihren Sohn von der Schule abholen und auf ihn aufpassen kann? Kann sie natürlich, die einsame Supermutter, die froh ist, wenn sie helfen kann. Das Problem dabei: Danach ist Emily verschwunden, und als sie auch nach fünf Tagen nicht auftaucht, beginnt Stephanie, der Sache auf eigene Faust nachzugehen. Und fördert dabei Überraschendes zutage. Unterhaltsam ist „A Simple Favor“ durchaus, was auch an dem guten Zusammenspiel von Lively und Kendrick liegt. Auch der Humor ist dosiert, aber immer gut gezielt eingesetzt. Das Problem, das ich mit dem Film hatte, ist aber jenes, dass die Thrillerhandlung in meinem Kopf deutlich interessanter war als das Geschehen auf der Leinwand selbst. Der Film deutet viele Möglichkeiten an, die allesamt interessant sind, um am Ende dann doch wieder recht konventionelle Wege zu gehen. Ohne jetzt zu viel verraten zu wollen, aber die Auflösung erscheint mir gemessen an dem, was möglich gewesen wäre, recht billig. Außerdem sind die Charaktere prinzipiell alle ein wenig überzeichnet, sie sind – mit Ausnahme von Kendricks Stephanie – eindimensional und wirken teils wie Karikaturen. Selbst die von Lively wirklich toll gespielte Emily. All das verhindert ein tieferes Abtauchen in der Geschichte und ein Bonding mit den Figuren. So ging ich enttäuscht vom Film, aber begeistert vom Kinosaal, aus dem Electric Cinema.


4,5
von 10 Kürbissen

Have a Nice Day (2017)

Regie: Liu Jan
Original-Titel: Hao Ji Le
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Animation, Thriller, Komödie
IMDB-Link: Hao Ji Le


Man kennt das: Es ist spätabends, man ist schon müde (in diesem Fall von drei Filmen davor), aber da man schon beim Kino ist und das Ticket hat, setzt man sich halt doch noch in die 23-Uhr-Spätvorstellung, um das /slash-Festival zu einem würdigen Abschluss zu bringen. „Have a Nice Day“ heißt das Werk des chinesischen Animationsfilmers Liu Jian, und beginnt wie ein Coen Brothers-Plot: Indem der arme Bauarbeiter Xiao Zhang seinen Onkel um eine Tasche voller Geld erleichtert, was weder dem Onkel noch dem, für den das Geld bestimmt war, sonderlich schmeckt. Und da die Gestalten im Hintergrund kein einwandfreies Leumundszeugnis vorlegen können, beginnt die Jagd auf Zhang, der mit dem Geld seiner Freundin eine Schönheits-Operation bezahlen möchte. Das alles hätte sehr erbaulich und unterhaltsam werden können. Leider bleibt dieser Satz allerdings im Konjunktiv. Denn „Have a Nice Day“ ist zwar ambitioniert gemacht (so zeichnete Liu Jian im Alleingang drei Jahre lang an seinem Film), dem Resultat sieht man diese Ambition aber nicht mehr an. Der Film ist statisch, langsam, träge und eindimensional, was die Ausgestaltung der Figuren betrifft. Die Machart selbst, in der die Bewegungen von Figuren und Kulisse nur auf das Minimum beschränken (und ja, ich weiß, das wird in Animes generell gerne so gehandhabt), trägt dazu bei, dass sich keine Spannung aufbauen möchte. Auch der humoristische Aspekt des Films ist … nun ja, sehr subtil. Oder ist einfach meilenweit an meiner Art von Humor vorbeigeschossen. So tröpfelt der Film belanglos vor sich hin, und am Ende wundert man sich, wie lang sich 77 Minuten anfühlen können. Die internationale Filmkritik mochte den Film. Der österreichische Filmkürbis nicht.


3,0
von 10 Kürbissen

(Foto: /slash Filmfestival)

Border (2018)

Regie: Ali Abbasi
Original-Titel: Gräns
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Drama, Fantasy, Thriller
IMDB-Link: Gräns


Tina ist nicht unbedingt eine Schönheit, aber sie hat ein außergewöhnliches Talent: Sie kann Gefühle (oder Rückstände von Gefühlen) an Menschen riechen – und damit ist sie natürlich eine Wunderwaffe bei der Grenzkontrolle. Die Ängstlichen, die voller Scham, die haben meist etwas zu verbergen – wie etwa Drogen, nicht verzollter Alkohol oder USB-Sticks voller Kinderpornographie. Allerdings führt Tina kein glückliches Leben, sondern lebt als Außenseiterin mit dem Slacker Roland, mit dem sie eine platonische Beziehung führt, und dessen Kampfhunden in einer abgelegenen Waldhütte. Eines Tages lernt sie Vore kennen, der bei der göttlichen Verteilung von Schönheit und Anmut auch gerade am Klo war. Und etwas stimmt nicht mit diesem Vore – nur kann Tina ausnahmsweise mal nicht herausfinden, was genau. Als sie erfährt, dass er durch die Gegend streunt und kaum Geld hat, nimmt sie ihn bei sich in ihrem Gästehaus auf. Und allmählich nähern sich die beiden einander an und entdecken erstaunliche Gemeinsamkeiten. Doch wer ist dieser Vore, was will er von ihr? Und warum hat er seinen Kühlschrank mit Klebeband versiegelt? „Border“ von Ali Abbasi ist eine klassische  Außenseiter-Geschichte, die von großartigen Akteuren und einer sensiblen Erzählweise getragen wird. Die Auflösung des Films, der irgendwo zwischen Drama, Thriller, Fantasy und Liebesfilm mäandert, ist durchaus originell. Ich mag ja solche Filme, die zwischen den Stühlen sitzen und sich keinem Genre klar zuordnen lassen. So gibt es auch viel zu entdecken in „Border“. Es geht um die Frage, wer wir tatsächlich sind, wie wir von anderen wahrgenommen werden, vor allem auch dann, wenn wir von der gängigen Norm abweichen. Es geht um die Frage nach einem selbstbestimmten Leben. Am letzten Tag meiner /slash-Filmfestival-Besuche noch einmal ein kleines Highlight.


7,5
von 10 Kürbissen

(Foto: /slash Filmfestival)

Summer of ’84 (2018)

Regie: François Simard, Anouk Whissell und Yoann-Karl Whissell
Original-Titel: Summer of ’84
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Thriller
IMDB-Link: Summer of ’84


Hach, 1984! Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Im Radio liefen „Fürstenfeld“ und „I Want to Break Free“, Michel Platini führte Frankreich zum Europameistertitel, Niki Lauda wurde zum dritten Mal Weltmeister, man beging das „Orwell-Jahr“ – und der Filmkürbis … ähm … ja … was machte ich damals? Ach so, in die Windeln. Egal. Was ich sagen will: Die 80er-Nostalgie nimmt derzeit kein Ende und erweist sich für kreative Köpfe als Goldgrube. In diese Kerbe schlägt auch „Summer of ’84“, eine Art Mash-Up aus „Stand by Me“, „Stranger Things“, „It“ und „Disturbia“. Der 15jährige Davey hat seinen Nachbarn Mr. Mackey, einen Polizisten, im Verdacht, als Serienkiller dreizehn Morde auf dem Gewissen zu haben. Mit seinen drei besten Freunden ergreift er nun die Initiative, um Beweismaterial zu finden, das Mr. Mackey als Täter überführen soll. Dass es der geistigen Gesundheit nicht zuträglich ist, wenn man glaubt, dass der unmittelbare Nachbar in der Kleinstadt, in der jeder jeden kennt, ein psychopathischer Killer ist, versteht sich irgendwie von selbst. Und so bezieht „Summer of ’84“ einen Großteil der Suspense aus dem Spiel zwischen Paranoia und ernsthafter Bedrohung. Unterlegt sind die Bilder mit einem 80er-Synthie-Sound, der zwar prinzipiell ganz nett klingt und den Film auch klar in seiner Zeit verankert (was durch die Bilder selbst nicht immer zu 100% gelingt), aber auf Dauer dann doch etwas eintönig wirkt. Auch die vier Freunde sind quasi dem Lehrbuch für Coming-of-Age-Buddy-Filmen entnommen: Davey ist der brave Schüchterne, Farraday der ängstliche Streber, Eats der coole Arme und Woody der dicke Schussel. Dazu gesellt sich noch Nikki, das ehemalige Kindermädchen von Davey, die als Zwanzigjährige nun für feuchte Träume herhalten muss. Das alles kommt einem beim Ansehen einfach wahnsinnig bekannt vor. Leider bleiben die Figuren zumeist auch auf diesem oberflächlichen Niveau. Was die Figurenentwicklung betrifft, kommt „Summer of ’84“ nie an das Niveau von beispielsweise It heran. Trotzdem ist „Summer of ’84“ sehenswert, da die Spannung von Anfang an hochgehalten wird, die Darsteller bzw. ihre Figuren recht sympathisch sind und der Film gegen Ende hin noch die eine oder andere fiese Überraschung bereit hält, die noch eine Weile präsent bleibt, auch wenn der Vorhang längst gefallen ist. Insgesamt also eine solide, unterhaltsame Sache, die man sich jedenfalls ansehen kann.


6,5
von 10 Kürbissen

(Foto: /slash Filmfestival)

The Friendly Beast (2017)

Regie: Gabriela Amaral Almeida
Original-Titel: O Animal Cordial
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Thriller
IMDB-Link: O Animal Cordial


Wenn man sich nach einem ganztägigen Meeting in Berlin um 10 Uhr abends zu Hause von der Couch noch einmal aufrafft, um ins Kino zu fahren in dem Bewusstsein, dass sich dann die Anzahl an Schlafstunden in der Nacht auf vier reduziert, dann muss die Erwartungshaltung eine relativ hohe sein. So ging es mir mit dem brasilianischen Thriller „The Friendly Beast“, meine dritte /slash-Filmfestival-Sichtung. Man möchte nicht glauben, wie viele Leute um 23 Uhr noch im Kinosaal hocken, um sich dieses makabre Schauspiel zu geben, das da auf der Leinwand gezeigt wurde. Leute, habt ihr nichts zu tun? Oder seid ihr alle so wahnsinnig wie ich? Zweiteres wäre echt beunruhigend. Jedenfalls wurde ein gut gefüllter Saal Zeuge davon, wie ein Überfall auf ein kleines Restaurant sehr schnell sehr schief gehen kann. Nämlich dann, wenn der Restaurantbesitzer selbst eine Puffen in der Schublade hat und schon bald Tendenzen zum paranoiden Verschwörungstheoretiker aufweist. Wenn die schüchterne Kellnerin dann auch noch einen Crush auf den selbst ernannten Westernsheriff hat, findet sich die Verbrecherbande schon bald entweder blutend auf dem Boden oder mit überraschender Gesellschaft in der Restaurantküche festgebunden wieder. Was wie eine Reminiszenz an Quentin Tarantinos „Pulp Fiction“ beginnt, wird schon bald zu einem blutigen Psycho-Kammerspiel. Inklusive der vielleicht seltsamsten und makabersten Sexszene der jüngeren Filmgeschichte. Hier ist der Zuseher ständig auf High Alert. Insgesamt sieht man dem Film aber immer wieder an, dass er etwas zu plakativ auf das Schockieren des Publikums abzielt, und das geht zu Lasten der Story. Etwas subtiler wäre der Film wirkungsvoller gewesen. Dennoch bietet er gute Unterhaltung, sofern man beim Anblick von Blut nicht grün im Gesicht wird. Denn in diesem Fall verlässt man spätestens nach 45 Minuten den Saal als Laubfrosch.


6,0
von 10 Kürbissen

(Foto: /slash Filmfestival)

Brothers‘ Nest (2018)

Regie: Clayton Jacobson
Original-Titel: Brothers‘ Nest
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Komödie, Thriller
IMDB-Link: Brothers‘ Nest


Mein erster Besuch des /slash-Festivals führte mich in ein entlegenes Haus in Victoria, Australien. Zwei etwas festere bärtige Herren im schicken Müllmann-Outfit haben offensichtlich sinistere Pläne, als sie in das Haus einsteigen, um auf den dort lebenden älteren Roger zu warten. Man erfährt, dass die beiden Zottelbären Brüder sind, dass ihre alte Mutter an Krebs erkrankt ist und bald sterben wird und Roger der neue Lebensgefährte der Mutter ist, der laut Testament das alte Familienhaus erben soll. Und das geht den beiden Brüdern gegen den Strich. „Brothers‘ Nest“ beginnt als sehr schwarze Komödie, die ihre Komik aus den beiden charakterlich sehr ungleichen und schrägen Brüdern zieht. Terry ist nicht die hellste Kerze auf der Torte, und er ist es auch, der Bedenken äußert, dem Stiefvater eben alle Kerzen auszublasen. Jeff ist der Mann mit dem Plan. Und wenn man sich in schwarzen Komödien auf etwas verlassen kann: Dass eher selten alles nach Plan funktioniert. Auch Pinky und der Brain mussten das ein ums andere Mal feststellen – warum also soll es diesem australischen Brüderpaar anders gehen? Als dann tatsächlich Roger auftaucht und die Wartezeit, die man sich mit Putzen, Saugen und Wortgefechten vertrieben hat, endlich ein Ende findet, wird es turbulent. Am Ende blickt man als Zuseher fassungslos auf das Geschehen, die Gefühlslage ist irgendwo zwischen hysterischer Freude angesichts des Adrenalins, das noch einmal eingefahren ist, und blankem Entsetzen in Anbetracht der Wendungen, die die Handlung genommen hat. Und in der hintersten Reihe hört man die Coen-Brüder kichern, die ihr filmisches Vermächtnis in guten Händen wissen. Clayton Jacobson hat mit „Brothers‘ Nest“ einen sehr einfachen, aber wirkungsvollen Film gedreht, der von der ersten bis zur letzten Minute an diebisch Freude macht. Ein großartiger erster /slash-Film!


8,0
von 10 Kürbissen

(Foto: /slash Filmfestival)

K-19: Showdown in der Tiefe (2002)

Regie: Kathryn Bigelow
Original-Titel: K-19: The Widowmaker
Erscheinungsjahr: 2002
Genre: Thriller, Historienfilm, Drama
IMDB-Link: K-19: The Widowmaker


Wenn man sich die Filmographie von Kathryn Bigelow ansieht, dann stellt man fest, dass sie ein Faible für Genres hat, die man in einer ersten spontanen Eingebung eher männlichen Filmschaffenden zuordnen würde: Ob Kriegsfilm („The Hurt Locker – Tödliches Kommando“), Polizeithriller ohne politischer Dimension („Blue Steel“) oder mit (Detroit) oder im Surfer-Milieu („Gefährliche Brandung“) oder Polit-Thriller („Zero Dark Thirty“) – die Dame fühlt sich wohl im Kreise ihrer männlichen Kollegen. In „K-19: Showdown in der Tiefe“ von 2002 taucht sie nun mit ihrer ausschließlich männlichen Besatzung (angeführt von Harrison Ford und Liam Neeson) in einem russischen U-Boot ab. Das soll Anfang der 60er mitten im Kalten Krieg der ganze Stolz der Sowjetarmee werden, aber da man die tauchende Zigarre ein wenig zu früh ihre Raketen abschießen lässt (quasi ein militärischer ejaculatio praecox), darf man sich schon bald mit ein paar Problemchen herumplagen, die man auf einem U-Boot nicht so gerne hat: zum Beispiel mit einem Leck im Kühlkreis des Kernreaktors, der das Boot antreibt und der in Folge dessen in die Luft zu gehen droht. Und weil man gerade recht nahe an einer NATO-Basis herumschippert und somit weit weg ist von russischer Erde, ist man erst mal auf sich allein gestellt. Weil: Die Amis anrufen und denen die Malaise zu schildern, käme politisch gesehen nicht so toll, da verliert man doch ein bisschen das Gesicht. Ein U-Boot als Atombombe neben ihren Schiffen hochgehen zu lassen, kommt aber auch nicht so gut. Und auch wenn man ein treuer russischer Volksgenosse ist, möchte man doch irgendwann mal gemütlich in der Tundra auf seiner Veranda sitzen und den Enkelkindern beim Spielen zusehen. Also sind Kreativität und Mut und Schnelligkeit gefragt. Und die Bereitschaft, das eigene Leben für das Wohl der Kameraden aufs Spiel zu setzen. Denn irgendwer muss da hinein zu diesem blöden Reaktor und das Ding wieder zusammenflicken. Die Geschichte von „K-19: Showdown in der Tiefe“ beruht auf wahren Begebenheiten. Dieses Unglücksboot, das sich noch vor dem Stapellauf den Beinamen „The Widowmaker“ verdient und diesen dann mit Havarien wie der hier beschriebenen weiter einzementiert hat, gab es tatsächlich. Natürlich werden die Ereignisse von damals stark verkürzt und dramatisiert erzählt – das ist eben Hollywood. Das eigentliche Problem des ansonsten sehr passablen, aber recht routiniert abgespulten Thrillers liegt in der Besetzung. Ich kaufe weder Harrison Ford noch Liam Neeson die russischen Offiziere ab. Da können sie sich noch so sehr mit einem pseudo-russischen Akzent abmühen (der bei Ford nach keiner nachvollziehbaren Logik kommt und geht), die Diskrepanz ist einfach da und nicht wegzuwischen.


6,0
von 10 Kürbissen

Money Monster (2016)

Regie: Jodie Foster
Original-Titel: Money Monster
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Thriller
IMDB-Link: Money Monster


„Money – it’s a crime. Share it fairly but don’t take a slice of my pie.“ So sangen Pink Floyd im Jahr 1973, und die Prioritäten haben sich seither nicht wirklich groß geändert außer dass Geld heute noch wichtiger ist als vor 45 Jahren und die Schere zwischen jene, die haben, und jenen, die nicht haben, noch weiter auseinandergegangen ist. Das soll hier aber nun kein wirtschaftspolitischer Essay werden. Der Filmkürbis spricht immer noch über Filme und nicht über Money, Money, Money. Das tut nämlich eh schon George Clooney als TV-Börsenguru Lee Gates in Jodie Fosters „Money Monster“. Und Lee Gates hat ein kleines Problemchen (neben der Tatsache, dass seine langjährige Produzentin Patty, gespielt von Julia Roberts, gekündigt hat): Eines Tages steht während der Live-Sendung der nicht sonderlich tiefenentspannte Kyle (Jack O’Connell) mit einer geladenen Pistole und einer kleidsamen Bombe auf der Matte. Kurz zuvor haben sich 800 Millionen Börsenwert eines Unternehmens, dass Lee empfohlen hat, aufgrund eines Computerfehler, wie die Pressesprecherin so charmant ausführt, in Luft aufgelöst. Kyle ist einer der betroffenen Aktionäre, doch es geht ihm nicht allein um sein eigenes Geld, das sich auf so mysteriöse Weise pulverisiert hat, sondern um Gerechtigkeit im Allgemeinen. Und auch Lee muss feststellen, dass irgendwas an der Sache nicht ganz koscher ist. Mit seinem Sprengstoffjäckchen und seiner Produzentin Patty im Ohr versucht er nun einerseits, seinen Geiselnehmer bei Laune zu halten, um keine vorzeitige Monetarisierung seiner Lebensversicherung zu erwirken, und andererseits, den verschwundenen 800 Millionen Dollar nachzuspüren. „Money Monster“ kann vielleicht nicht unbedingt mit einer besonders plausiblen Geschichte aufwarten, aber spannend ist diese Live-Geiselnehmung im Fernsehen allemal. Zudem mag ich George Clooney als Schauspieler irgendwie. Er wirkt für mich immer wie der nette Onkel, der auf der Grillparty die schlüpfrigen Witze erzählt, bevor er in einer deutlich zu engen Badehose, die die Tanten aufseufzen und die Herren neidisch grunzen lässt, einen formvollendeten Köpfler in den Pool macht. Auch Julia Roberts, wenngleich in ihrer Rolle sichtlich unterfordert, ist eine Bank. So ist der Film eine sympathische Angelegenheit, in der die Reichen ihr Fett abbekommen oder geläutert aus der Sache herauskommen, was wiederum für ein gutes Gefühl sorgt. Kein großes Werk, aber eines, das gut unterhält und im Anschluss den Wunsch weckt, mal wieder Pink Floyds „The Dark Side of the Moon“ einzulegen. Ein Film mit Mehrwert also.


6,5
von 10 Kürbissen