Thriller

Psycho (1960)

Regie: Alfred Hitchcock
Original-Titel: Psycho
Erscheinungsjahr: 1960
Genre: Thriller, Krimi
IMDB-Link: Psycho


Junger Motel-Besitzer mit guten Manieren stoppt eiskalte Verbrecherin auf der Flucht. Doch leider erfährt dieser nicht die verdiente Anerkennung, sondern wird aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände in einen Strudel sich gegenseitig misstrauender Hobby-Ermittlungen hineingezogen und verliert dabei nicht nur seine geliebte Mama, sondern auch den Verstand. Klar, Alfred Hitchcocks Thriller-Klassiker „Psycho“ ist inhaltlich gut bekannt. Und so ziemlich jeder Mensch auf dieser Erde, ganz gleich, ob er den Film jemals gesehen hat oder nicht, kennt die berühmte Dusch-Szene, in der Janet Leigh den bislang von Fay Wray in „King Kong und die weiße Frau“ gehaltenen Dezibel-Rekord für Filmschreie eindrucksvoll pulverisiert. Aber kann der Film darüber hinaus auch heute noch spannende Unterhaltung bieten? Die klare Antwort lautet: Ja! Es ist wenig verwunderlich, dass Hitchcock als Meister des Suspense gefeiert wurde, denn auf diesem Gebiet war er seiner Zeit ganz einfach weit voraus. Mit seinem Gespür für Spannungsbögen und Dramaturgie und seinem Auge für interessante Settings (das Herrenhaus hinter dem Bates-Motel gehört zu den gruseligsten Häusern der Filmgeschichte) und von inneren Dämonen gequälten Charakteren hat er zeitlose Meisterwerke geschaffen, die auch heute noch für kurzweilige Filmabende sorgen. Für mich kommt „Psycho“ nicht ganz an andere seiner Meisterwerke, allen voran „Das Fenster zum Hof“, heran, dazu ist mir die Hauptfigur Marion Crane schlicht zu unsympathisch, und ich gebe der im Biopic „Hitchcock“ von Helen Mirren gespielten Ehefrau Alma Recht, als sie Hitchcocks Zweifel, ob er seine Hauptfigur nach der Hälfte des Films einfach sterben lassen könne, mit einem trockenen „Kill the bitch earlier“ ausräumte. Aber sei’s drum, der Rest – und vor allem Anthony Perkins‘ grandiose Darstellung als Norman Bates – ist gemacht für die Ewigkeit.


8,0
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Quelle: imdb.com)

Trance – Gefährliche Erinnerung (2013)

Regie: Danny Boyle
Original-Titel: Trance
Erscheinungsjahr: 2013
Genre: Krimi, Thriller
IMDB-Link: Trance


Ich mag Filme von Danny Boyle. Er pflegt einen vibrierenden, energiegeladenen, optisch sehr einzigartigen Stil. Dieser kann manchen Zuseher auch schnell mal nerven, das ist klar. Ultrarealistische Bilder sind nicht so das Ding des Briten, der für „Slumdog Millionär“ 2009 mit einem Oscar prämiert wurde. Aber dafür erkennt man Boyles Filme an fast jeder einzelnen Kameraeinstellung. „Trance“ aus dem Jahr 2013 ist einer seiner unbekannteren Filme. Qualitativ braucht sich dieser aber nicht zu verstecken. Gleich die Eingangssequenz weiß zu packen: Simon Newton (James McAvoy), ein Auktionator für ein großes Kunstauktionshaus, erklärt die Sicherheitsmaßnahmen, die bei solch großen Auktionen gelten, um die teuren Kunstwerke vor Raub und Diebstahl zu schützen. Auftritt Franck (Vincent Cassel), der mit seinem Team genau die gerade vorgestellten Maßnahmen genüsslich zunichte macht und in einem dreisten Coup ein Gemälde von Goya inmitten der Versteigerung klaut. Nur blöd, dass sich der Koffer, in dem sich das teure Bild befinden soll, als leer herausstellt. Und noch blöder, dass Franck Simon vor der Flucht noch eins übergebraten hat, sodass sich dieser nicht daran erinnert, wohin er das Gemälde in Sicherheit gebracht hat. Aber vielleicht kann die hübsche Hypnotiseurin Elizabeth Lamb (Rosario Dawson) ja die Erinnerung auffrischen. An sich ist in dem Plot schon genug Zündstoff für einen packenden Thriller enthalten. Aber damit gibt sich das Drehbuch nicht zufrieden. Es werden nicht nur doppelte Böden gelegt, sondern gleich drei- bis vierfache. Das Katz-und-Maus-Spiel aller Beteiligten sorgt für Kurzweil, aber mitunter, wenn man nicht aufpasst, auch für Konfusion. Das alles ist enorm stylish in Szene gesetzt. „Trance“ weiß von der ersten bis zur letzten Minute zu packen, und auch wenn dann manchmal die Handlung etwas arg unrealistisch und teils auch wirr wird, so kann man sich dennoch darauf verlassen, von den WTF-Momenten, die einander die Klinke in die Hand geben, über die ganze Laufzeit bei Laune gehalten zu werden.


7,0
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: © 2013 – Fox Searchlight Pictures, Quelle: imdb.com)

Cure (1997)

Regie: Kiyoshi Kurosawa
Original-Titel: Kyua
Erscheinungsjahr: 1997
Genre: Thriller, Horror
IMDB-Link: Kyua


In Zeiten von Ausgangssperren in Zusammenhang mit der Eindämmung des Corona-Virus kann man mal ein paar Filme abarbeiten, die schon länger herumliegen und darauf warten, gesehen zu werden. Einer davon ist Kiyoshi Kurosawas Durchbruch „Cure“ aus dem Jahr 1997. Mein zweiter Kurosawa nach Before We Vanish (der mich nicht überzeugen konnte) gilt als ein Meisterwerk des japanischen psychologischen Horrors. Und ja, der Film zieht den Zuseher von Anfang an mit einer rätselhaften, latent bedrohlichen Stimmung in den Bann. Man kennt sich Nüsse aus, aber man ist damit nicht allein. Die Hauptfigur, Polizist Takabe Kōji Yakusho, kennt sich auch Nüsse aus. Ganz normale Menschen ermorden plötzlich ihre Liebsten auf bestialische Weise und schneiden ihnen ein X zwischen Hals und Brust. Danach sind sie in der Regel geständig, kooperativ und meinen bloß, dass sie zum Zeitpunkt des Mordes das Gefühl hatten, das Richtige zu tun. Irgendwann findet der Ermittler allerdings einen dünnen Faden, der die Fälle miteinander verbinden – in Form des hochgradig verwirrten Mamiya (Masato Hagiwara). Der weiß nicht, wer er ist, er vergisst mitten im Gespräch, mit wem er sich unterhält – aber alle Täter hatten kurz vor ihrer Tat Kontakt zu ihm. Doch was weiß der junge Mann wirklich? So richtig klar wird Vieles nicht in Kurosawas Horrorthriller, oder bestenfalls gegen Ende hin. Diese Stimmung der Rätselhaftigkeit und Verlorenheit, die sich durch den Film zieht, hält bis zur letzten Szene an. Das Gute an dem Film: Man kann danach wunderbar weiter darüber diskutieren. Das weniger Gute: Man muss schon einen gewissen Grad der Akzeptanz für nicht (vollständig) aufgelöste Rätsel mitbringen. Für mich eine interessante Erfahrung, aber zum großen Fan von Kiyoshi Kurosawa werde ich auch damit noch nicht. Ich halte mich weiterhin lieber an seinen Namensvetter Akira Kurosawa.


6,0
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Quelle: imdb.com)

Jahr 2022 … die überleben wollen (1973)

Regie: Richard Fleischer
Original-Titel: Soylent Green
Erscheinungsjahr: 1973
Genre: Science Fiction, Thriller
IMDB-Link: Jahr 2022 … die überleben wollen


Ältere Science Fiction-Filme sind eigentlich immer interessant anzusehen, v.a. wenn sie in der Zeit des Betrachters spielen. Eines gleich vorweg: Bei der Einwohnerzahl von New York im Jahr 2022 hat sich „Soylent Green“, 1973 erschienen, ein wenig verschätzt. Die 40 Millionen gehen sich in den nächsten zwei Jahren beim besten Willen nicht aus. Aber viele Probleme unserer heutigen Zeit wie der drohende Zusammenbruch des Ökosystems durch Überfischung, Rodung, Knappheit von Lebensraum, ungleiche Ressourcenverteilung, letztlich die Überbevölkerung des Planeten, werden in diesem Klassiker vorweggenommen. Die Reichen können sich auch mal ein schönes Stück Rindfleisch leisten, die Armen schlafen übereinandergestapelt in Stiegenhäusern und futtern synthetische Riegel. Der schmackhafteste Scheiß ist dabei das sogenannte „Soylent Green“. Blöd nur, dass ein Direktor der Firma, die diese grünen Riegel produziert, erschlagen wird, was dem abgeranzten Detective Thorn (Charlton Heston) eine Menge Arbeit – und dann Ärger – einbringt. Ihm zur Seite steht der alte Bibliothekar Sol Roth (Edward G. Robinson, der kurz nach Fertigstellung des Films gestorben ist, mit einer Glanzleistung), der sich noch an die Zeiten vor der Ökokatastrophe erinnern kann und vor Freude schier auszuckt, als er mal in einen richtigen Apfel beißen kann. Bald sehen sich Thorn und Roth einer breiten Verschwörung gegenüber, und irgendjemand investiert richtig viel Mühe, um den nervigen Polizisten zum Schweigen zu bringen. Was steckt nun hinter Soylent Green? Und lohnt es sich, 1,5 Stunden dranzubleiben, um das Geheimnis zu erfahren? Nun, gut gealtert ist der Film nicht. Man sieht ihm sein knappes halbes Jahrhundert doch deutlich an. Dennoch überrascht, von welcher Brisanz die Themen, die der Film unter der Regie von Richard Fleischer nach einem Buch von Harry Harrison anschneidet, auch heute noch sind – vielleicht mehr, als man sich 1973 vorzustellen vermochte oder befürchtet hat. Insofern ist „Soylent Green“ ein zeitloser Klassiker, den man sich mal zu Gemüte geführt haben sollte.


7,0
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: © 1973 Warner HE, Quelle: imdb.com)

Basic Instinct (1992)

Regie: Paul Verhoeven
Original-Titel: Basic Instinct
Erscheinungsjahr: 1992
Genre: Erotik, Thriller, Krimi
IMDB-Link: Basic Instinct


Als Teenager bei der Oma zu übernachten, war schon eine feine Sache. Man hatte sein eigenes Zimmer mit Fernseher, und spätestens um 10 Uhr abends war die Oma müde und ging schlafen – rechtzeitig zu den interessanteren Sendereihen wie beispielsweise die „Sommernachtsphantasien“ – erotische Filme zu später Stunde. Die Qualität dieser Filme war meist solala, aber es gab nackte Brüste zu bestaunen. Was solche anatomischen Erkenntnisse mit pubertierenden Teenagern anstellen können, mag man sich ausmalen. Auf der gehobenen Seite dieser Filme gab es zumal auch Klassiker wie Verhoevens Skandalfilm „Basic Instinct“. Gebt es zu, ihr kennt ihn alle. Zumindest die Szene, in der Sharon Stone, die mit diesem Film zum neuen Sexsymbol der 90er gekürt wurde, während eines Verhörs die Beine übereinander schlägt und man noch weitere anatomische Erkenntnisse gewinnt. Da reißt es nicht nur Michael Douglas die Glupschaugen auf. Ich selbst war eigentlich nie ein großer Fan dieser Szene. Stones Frisur war mir hier zu streng. Ich mochte sie mit offenen Haaren lieber. Tja, die Oberflächlichkeit der Jugend. Vielleicht erklärt das auch meine späte Entwicklung in wichtigen Fragen des Erwachsenwerdens. Jedenfalls war ich nach dem Ansehen des Films ein bisserl verliebt. Und reichlich verwirrt. Dass ich mich noch an den Inhalt erinnern kann (der im Übrigen sämtliche Klischees bedient, die man sich vorstellen kann), grenzt an ein Wunder. Was aber auch wiederum für den Film spricht, der sich damit zumindest nachhaltig von den restlichen Machwerken, die im Rahmen der „Sommernachtsphantasien“ und ähnlichen Programmschienen gezeigt wurden, abhebt. Heute kann man den Film wohl kaum mehr ohne das Gefühl des Fremdschämens ansehen, und man freut sich für Michael Douglas, dass ihm die Zuseherschaft rasch verziehen hat, und für Sharon Stone, dass Scorsese sie dennoch für „Casino“ gecastet hat, worin sie schlicht umwerfend war. Der Skandal von damals würde heute kaum mehr als ein Gähnen hervorrufen. Aber als Kind seiner Zeit hat der Film unbestritten Eindruck hinterlassen und sich einen Platz in der Filmgeschichte und meinen erotisch aufgeladenen Erinnerungen gesichert. Nostalgische 6 Kürbisse.


6,0
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Photo by Columbia TriStar/Getty Images – © 2013 Getty Images, Quelle: imdb.com)

The Gentlemen (2019)

Regie: Guy Ritchie
Original-Titel: The Gentlemen
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Krimi, Thriller, Komödie
IMDB-Link: The Gentlemen


Guy Ritchie ist ein lässiger Typ. Für seinen „King Arthur“ mit Charlie Hunnam in der Hauptrolle wurde er zurecht abgewatscht. Zwei Filme später ist Hunnam wieder als Hauptfigur in einem Guy Ritchie-Film zu sehen, und beide – Ritchie wie Hunnam – nutzen die Chance, sich zu rehabilitieren. Ein feiner Zug von Madonnas Ex-Mann, will ich meinen. In „The Gentlemen“, bei uns ab 27. Februar zu bestaunen, besinnt sich Guy Ritchie auf seine Wurzeln. „Snatch – Schweine und Diamanten“ war ja damals eines seiner Meisterwerke, die knallharte Actionthriller mit brillanter Komik verbinden konnten. Diesen Weg schlägt er nun mit seinem neuesten Film wieder ein – zum Glück. Denn ein Ritchie in dieser Form ist tatsächlich die europäische Antwort auf Quentin Tarantino in dessen Gangster-Tropos, das er in den letzten Jahren ja auch verlassen hat. Also muss Ritchie die Fahne hochhalten, wenn es um halbseidene Ganoven geht, die sich in ungute und letztlich lebensbedrohliche Verwicklungen verstricken. Dabei möchte Marihuana-Produzent Mickey Pearson (Matthew McConaughey, mal wieder so cool wie eine Leiche im Gefrierfach) ja eigentlich nur sein Business verkaufen und sich zur Ruhe setzen, um seine Frau (Michelle Dockery) zu vögeln. Aber da die Übergaben in einem solchen Geschäftsfall ja selten notariell beglaubigt und juristisch wasserdicht erfolgen, stapeln sich schon bald die Probleme. Zwar ist rasch ein Käufer gefunden (Jeremy Strong), doch spucken ihm asiatische Gangster (Tom Wu, Henry Golding), boxende Halbstarke, die von ihrem Coach (Colin Farrell, der gnadenlos jede Szene stiehlt) in die Schranken gewiesen werden müssen, ein missgünstiger Herausgeber (Eddie Marsan) sowie ein neugieriger Privatdetektiv (Hugh Grant in einer für ihn ungewöhnlichen Rolle, die er bravourös meistert) in die Suppe. Mickeys rechte Hand Ray (Charlie Hunnam) hat schon bald alle Hände voll zu tun, um den Laden am Laufen zu halten. Der Rest sind coole Action-Sequenzen, staubtrockene Dialoge, die Physik der Schwerkraft, wortwörtliche Schweinereien und jede Menge Coolness. Das ist alles brillant durchexerziert, jeder Schnitt sitzt, jede Figur hat ihre Momente, Sympathien wechseln beständig, die Story ist vielschichtig und voller Energie, aber so klug aufgebaut, dass man ihr trotzdem leicht folgen kann (was man von „Snatch“ trotz aller Qualität, die der Film hat, nicht immer behaupten kann) – kurz: „The Gentlemen“ ist in meinen Augen Guy Ritchies Meisterwerk. Unbedingt ansehen!


8,5
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Photo by Christopher Raphael, Quelle: imdb.com)

From Hell (2001)

Regie: Albert und Allen Hughes
Original-Titel: From Hell
Erscheinungsjahr: 2001
Genre: Krimi, Thriller, Historienfilm
IMDB-Link: From Hell


Aufgepasst, liebe jüngere Leser dieses Blogs: Es gab eine Zeit, in der Johnny Depp nicht mit betrunkenen, geschminkten Piraten in Verbindung gebracht wurde. Aus jener Zeit stammt unter Anderem „From Hell“ von den Hughes-Brüdern, in dem er sich als drogensüchtiger Polizeiinspektor (er hat’s irgendwie mit gesundheitsschädigenden Substanzen) im London des ausgehenden 19. Jahrhunderts auf die Suche nach Jack the Ripper machen darf. Jack the Ripper sollte soweit bekannt sein: Das war der Typ, der holde Damen der eher unteren Gesellschaft zerstückelte und damit zum Urahnen von Hannibal Lecter und Konsorten wurde. Den von Johnny Depp gespielten Inspektor Abberline gab es jedenfalls wirklich. Ob der auch eine Schwäche für Opium hatte, scheint mir aber weniger gesichert, wie sich der Film auch sonst sehr viele Freiheiten erlaubt und die  historischen Begebenheiten nur am Rande streift. Egal, für den Film und seine düstere Atmosphäre ist es kein Nachteil, wenn Johnny Depp eher verschlafen durch die Szenen stolpert, denn ein wacher Inspektor, der seine fünf Sinne und sieben Zwetschgen beisammen hat, hätte die Mordfälle vielleicht eher gelöst und aus „From Hell“ wäre nur ein Kurzfilm geworden. So aber braucht es gehörig Mithilfe von Deus ex machina, dem alten Script-Doktor, um dem Bösewicht auf die Schliche zu kommen und die fesche Maid mit den feuerroten Haaren (Heather Graham), in die sich der Inspektor verguckt, vor dem erwarteten Übel zu bewahren. Der Nachthimmel ist blutrot, die Gassen sind dunkel (und es überrascht, wie viele Schaulustige sich innerhalb zwei Minuten nach einem Mordfall in einer verschwiegenen Seitengasse am Tatort einfinden – Mensch, hatten die Londoner damals nichts Besseres zu tun, als in den finstersten Nachtstunden voll aufgemascherlt Spaziergänge durch versiffte Stadtviertel zu machen?), und die Schauspieler neigen zu schamlosem Overacting, um die Gravität ihrer Figuren besser zum Ausdruck zu bringen. Einzig Johnny Depp hält das Ganze irgendwie zusammen. Er kann halt doch mehr, als betrunken über Schiffsplanken zu stolpern. Nein, „From Hell“ ist nicht gut gealtert. Aber ansehen kann man sich den Film trotzdem auch heute noch, Johnny Depp und der viktorianischen Stimmung des Films sei Dank.


5,5
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Quelle: imdb.com)

Die Wütenden – Les Miserables (2019)

Regie: Ladj Ly
Original-Titel: Les Misérables
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Drama, Krimi, Thriller
IMDB-Link: Les Misérables


Das Pariser Elend zieht sich durch die Jahrhunderte. Das war schon unter Victor Hugo so, und das ist auch heute noch so. Da kann selbst der Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft nur geringfügig Linderung bringen ins Leben der Unterprivilegierten, der Armen und Aussichtslosen,  der Straßen-Kids, der Drogenschmuggler und Junkies, der Halsabschneider und jener, die die kleinen und großen Kriminellen dingfest machen möchten und dabei selbst kaum das Gesetz, auf keinen Fall aber die Moral, auf ihrer Seite haben. Stéphane (Damien Bonnard) ist neu in der Einheit von Chris (Alexis Manenti) und Gwada (Djibril Zonga). Zu dritt kurven sie durch Montfermeil, einem Vorort von Paris, der von Clans beherrscht wird. Chris und Gawda packen die Dinge auf ihre Weise an: Man hält sich die Bosse mit kleinen Gefälligkeiten warm und greift (über-)hart durch, wenn man sich mal wieder Respekt verschaffen will. Die Grenzen zwischen Gesetzeshütern und Gesetzesbrechern verschwimmen, die einen haben halt eine Polizeimarke, die anderen nicht. Stéphane ist das zuwider, doch als Neuling muss er sich an die alten Hasen halten. In dieser Hinsicht erinnert „Die Wütenden – Les Miserables“ an „Training Day“ von Antoine Fuqua, ohne aber den Antagonisten die gleiche Böswilligkeit wie Denzel Washingtons Figur zu unterstellen. Die Polizisten sind hier einfach abgefuckte Typen, die in einer feindlichen Umgebung mit ungeeigneten Mitteln versuchen, den Kopf über Wasser zu halten. Und dann passiert etwas, was dazu führen könnte, dass die Situation im Viertel eskaliert, wenn die Info darüber an die Öffentlichkeit gerät. Verzweifelt versuchen die Polizisten, zu vertuschen, was zu vertuschen geht, doch die Gewaltspirale beginnt schon sich zu drehen. „Die Wütenden – Les Miserables“ ist ein gut ausbalancierter Film, der nicht Partei ergreift, sondern fast dokumentarisch darüber berichtet, wie fragil die Balance in den Armenvierteln Frankreichs ist, in denen der Hass nur durch eine gefährliche Struktur aus Macht und Gefälligkeiten in Zaum gehalten werden kann. Ein Funken, und die ganze Stadt kann brennen.


7,5
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Quelle: imdb.com)

Léon – Der Profi (1994)

Regie: Luc Besson
Original-Titel: Léon
Erscheinungsjahr: 1994
Genre: Thriller, Action
IMDB-Link: Léon


Wenn man nicht die geistigen Leistungen erbringen kann oder möchte, die eine akademische Ausbildung ermöglichen, oder wenn man lieber körperlich arbeitet, dann ist ein Lehrberuf ja keine schlechte Alternative. Gute Handwerker braucht das Land. Und Léon (Jean Reno) ist ein echter Profi. Seine kognitiven Fähigkeiten mögen zwar beschränkt sein, aber er arbeitet präzise und streng nach Kodex. Da kann man dem Mann nichts vormachen. Kompliziert wird sein Leben erst, als er einen Lehrling (Natalie Portman) aufnimmt. Denn eigentlich hat er keinen Bock darauf, den Nachwuchs auszubilden, aber eben jene junge Dame, die da so unverhofft an seine Tür klopft, ist erstens beharrlich und zweitens motiviert. Also tut Léon sein Bestes. Und bald zeigen sich erste Erfolge, denn Mathilda, sein Lehrmädel, bringt das nötige Talent fürs Handwerk mit. Das wiederum missfällt dem Kontrahenten (Gary Oldman), und so nimmt die konfliktreiche Handlung weitere Wendungen.

„Léon – Der Profi“ ist nichts Anderes als ein Meisterwerk. Meisterhaft ist die Regie von Luc Besson, dessen Bilder den Anschein von kreativem Chaos erwecken, dabei aber trotzdem streng durchkomponiert sind. Meisterhaft sind die Darstellerleistungen von Jean Reno als tödlichem Simpel, von Gary Oldman als völlig wahnsinnigem Polizisten und Natalie Portman in ihrer ersten Rolle als Killer-Lehrling. Und meisterhaft ist die Geschichte, die ausnahmslos Außenseiter ins Zentrum stellt und geradlinig, aber mit doppeltem Boden und einer ganzen Palette von Zwischentönen, erzählt wird. Je nach Sichtweise ist „Léon“ ein Actionkracher oder die Geschichte einer Freundschaft, eine Charakterstudie eines einfachen Mannes oder gar ein Liebesfilm. Für mich ist „Léon – Der Profi“ alles davon. Einer meiner absoluten Lieblingsfilme mit 10 Kürbissen.


10
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Quelle imdb.com)

We Need to Talk About Kevin (2011)

Regie: Lynne Ramsay
Original-Titel: We Need to Talk About Kevin
Erscheinungsjahr: 2011
Genre: Thriller, Drama
IMDB-Link: We Need to Talk About Kevin


Kann es sein, dass Hollywood den Namen Kevin gerne mit sadistischen Satansbraten assoziiert? Macaulay Culkin durfte als Träger dieses Namens dämliche Einbrecher quälen, und auch Lynne Ramsays Kevin in „We Need to Talk About Kevin“ hat echt ungute Veranlagungen. Schon als Kind ist er entrückt und unzugänglich. Da kann sich die Mutter (Tilda Swinton) noch so sehr um den Aufbau einer echten Beziehung bemühen, doch fröhlich scheint das Kind nur in den Armen des Vaters (John C. Reilly) zu sein. Aber was soll man machen, wenn man als Mutter keine Bindung zum eigenen Kind findet? Man spielt Gefühle vor, und erntet Missgunst und Niederträchtigkeit. Dass das mal ein böses Ende nehmen wird, ist nicht nur vorgezeichnet, sondern gleich mit dem allerersten Bild des Filmes angedeutet und kurze Zeit später auch ausformuliert (allerdings auf die für Ramsay typisch indirekte Weise, die sie dann später in You Were Never Really Here perfektioniert hat). Denn eben jener Kevin massakriert als Teenager (gespielt von Ezra Miller) seine Mitschüler. Und Eva, die Mutter, muss damit leben – mit den Schuldgefühlen und dem Hass, der ihr von Seiten der Kleinstadtbewohner entgegenschlägt. Und der auch nachvollziehbar ist, befinden sich unter den Opfern von Kevins Wahnsinnstat ja die Töchter und Söhne dieser Kleinstadtfamilien. „We Need to Talk About Kevin“ ist ein unangenehmer, intensiver Film, der sich artifiziell anfühlt (so scheint der junge Kevin mit seinen dunklen Blicken fast das Kind des Leibhaftigen zu sein), aber mit diesen Mitteln der Verfremdung eine nachvollziehbare Seelenqual, nämlich jene der Mutter, beschreibt. Tilda Swinton ist (wieder einmal) überragend. Es gibt nichts, was diese Frau nicht spielen kann. Die eigentliche Offenbarung des Films ist aber die Leistung von Nachwuchsdarsteller Jasper Newell als junger Kevin. So ein Arschlochkind muss man erst mal spielen können.


7,5
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Quelle imdb.com)