Historienfilm

Hannah Arendt (2012)

Regie: Margarethe von Trotta
Original-Titel: Hannah Arendt
Erscheinungsjahr: 2012
Genre: Drama, Biopic, Historienfilm
IMDB-Link: Hannah Arendt


Hannah Arendt gilt als eine der bedeutendsten Politologinnen und Philosophinnen des 20. Jahrhunderts. Für eine massive Kontroverse sorgte ihr Bericht für den New Yorker über den Prozess gegen Adolf Eichmann. Dieser war in Argentinien gefasst und für seine NS-Verbrechen in Jerusalem vor Gericht gestellt worden. Während die ganze Welt gebannt auf den Prozess gegen diese Bestie schaute, kam Arendt zu dem Urteil, dass diese Bestie bloß ein Papiertiger war, der gehorsam Befehlen gehorchte, ganz gleich, welch unmenschliche Konsequenzen diese auch hatten. Sie kam damit zum Schluss der „Banalität des Bösen“ und hielt fest, dass die ganze Grausamkeit der Verbrechen des NS-Regimes darin lag, Menschen zu entmenschlichen und damit auch von persönlicher Verantwortung und Moral zu lösen. Harter Tobak? Aber sicher. Das muss auch die von Barbara Sukowa brillant gespielte Hannah Arendt am eigenen Leib erfahren, denn naturgemäß stoßen ihre Überlegungen vor allem in ihrem jüdischen Freundeskreis nicht auf Gegenliebe. Doch sie bleibt sich und ihren Prinzipien treu, auch wenn das zu Lasten langjähriger Freundschaften geht. Auf dieser Beharrlichkeit, auf dieses „Intellekt vs. Gefühl“-Dilemma, liegt Margarethe von Trottas Fokus in diesem sperrigen Biopic. Das ist schon ein Film zum Mitdenken, zum selbst Erarbeiten. Die Einspielungen der tatsächlichen historischen Aufnahmen aus dem Eichmann-Prozess machen die ganze Angelegenheit zu einer semidokumentarischen Abhandlung, was den Zugang einerseits noch mal etwas erschwert, andererseits dem Film eine enorme Glaubwürdigkeit verleiht. Unterm Strich ist „Hannah Arendt“ Kino für den Kopf, bei dem der Bauch außen vor bleibt.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: © 2013 – Zeitgeist Films, Quelle http://www.imdb.com)

Die Herzogin (2008)

Regie: Saul Dibb
Original-Titel: The Duchess
Erscheinungsjahr: 2008
Genre: Historienfilm, Biopic, Drama
IMDB-Link: The Duchess


Die zehn Gebote sind soweit allgemein bekannt. Weniger bekannt ist das elfte Gebot für Filmschaffende: „Du sollst Keira Knightley in historischen Kostümdramen besetzen.“ Und da Gebote ernst zu nehmen sind, spielt Keira Knightley in Saul Dibbs Historiendrama die titelgebende Herzogin Georgina Cavendish of Devonshire, Mode-Ikone ihrer Zeit und Gebärmaschine für den Duke (Ralph Fiennes, der in Historienfilmen auch nie fehlplatziert wirkt), der sich nichts sehnlicher wünscht als einen männlichen Erben – und den Beischlaf mit allen Damen in seinem Einflussbereich, die bei drei nicht auf den Bäumen sind. Letzteres hat er ja selbst in der Hand, für Ersteres ist das Mitwirken der Angetrauten hingegen unerlässlich. Und so sehr sich diese auch abmüht mit der Aufgabe, es kommen halt nur Mädels aus ihr heraus, was der Göttergatte mit der Zeit persönlich nimmt. „Die Herzogin“ ist ein langsam aufgebautes, eher subtil gespieltes Drama rund um familiäre Probleme, Erwartungshaltungen, Eifersucht und Leidenschaft, das hintersinnig aber die Rolle der Frau zur damaligen Zeit auf eine Weise beleuchtet, dass man ohne große Anstrengung diese in die heutige Zeit transferieren kann. Auch wenn sich natürlich seit damals viel geändert hat, diese patriarchalischen Strukturen, die der Film offenlegt, kann man auch heutzutage vielerorts noch nachzeichnen. So behandelt der Film (leider) immer noch recht aktuelle Themen, ohne diese aber dem Publikum direkt ins Gesicht zu watschen. Allerdings schlägt das gemäßigte Tempo an manchen Stellen in Langeweile um. Man muss schon konzentriert bei der Sache bleiben, um dem Film die Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die er verdient.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: © 2008 Paramount, Quelle http://www.imdb.com)

Der Name der Rose (1986)

Regie: Jean-Jacques Annaud
Original-Titel: The Name of the Rose
Erscheinungsjahr: 1986
Genre: Drama, Historienfilm, Krimi
IMDB-Link: The Name of the Rose


Lasst uns mal über Europa reden. „Der Name der Rose“ ist eine hauptsächlich deutsche Produktion in englischer Sprache unter der Regie eines Franzosen mit einem Schotten in der Hauptrolle, basierend auf einem italienischen Roman. Ach ja, in Nebenrollen sind unter unter anderem ein Österreicher, ein Russe, ein Brite, einige Deutsche und US-Amerikaner zu sehen, und den Love Interest spielt eine Chilenin. Kann so ein Mash-Up gutgehen, vor allem, wenn der Roman, ein historischer satirischer Wälzer mit über 600 Seiten, ein literarischer Welterfolg war, der die Messlatte schon verdammt hoch angelegt hat? Ja, das geht. Denn Annaud und Produzent Bernd Eichinger machen alles richtig, indem sie nicht versuchen, das Buch mit dem Medium Film zu kopieren. Vielmehr verändern sie den Fokus auf die düstere Kriminalhandlung in der Benediktinerabtei, die der zu einem Disput angereiste Franziskaner William von Baskerville (perfekt besetzt mit Sean Connery) mit seinem Adlatus Adson von Melk (Christian Slater) zu lösen versucht. Die Mönche sterben wie die Fliegen in diesem ehrwürdigen Kloster, doch der Abt ist wenig begeistert davon, dass der logisch denkende Franziskanermönch der Wahrheit auf den Grund gehen möchte. Bald schon sind William und Adson selbst im Fokus des Killers. Und ein spannender Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Wie gesagt, die Verfilmung von Annaud fühlt sich gänzlich anders an als die Romanvorlage von Umberto Eco. Diese ist ein satirisches Meisterwerk, in dem der große Philosoph und Intellektuelle Eco gegen religiöse Verbohrtheit und naive Gutgläubigkeit ins Feld zieht und diese auch ins Lächerliche zieht. In Annauds Film sind diese Spitzen schon noch vereinzelt zu erahnen, doch ist die Stimmung des Films weitaus düsterer, und die Handlung konzentriert sich eben auf eben den Hauptstrang der Mordserie, die es aufzuklären gilt. So gesehen verfolgen Film und Buch zwei sehr unterschiedliche Ansätze. Puristen mag das vielleicht sauer aufstoßen, doch in meinen Augen hat man beim Film alles richtig gemacht, denn das Buch 1:1 zu verfilmen, wäre ein Ding der Unmöglichkeit geworden. So aber ist „Der Name der Rose“ der vielleicht beste Mittelalterkrimi aller Zeiten.


8,5 Kürbisse

(Bildzitat: Photo by Archive Photos/Getty Images – © 2012 Getty Images, Quelle http://www.imdb.com)

Die Ausgrabung (2021)

Regie: Simon Stone
Original-Titel: The Dig
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Drama, Biopic, Historienfilm
IMDB-Link: The Dig


Man kennt ja den sogenannten Elevator Pitch: Angenommen, du triffst im Aufzug eine bedeutende Filmproduzentin und hast genau die eine Fahrt mit dem Aufzug Zeit, sie von deiner Story zu überzeugen. Und das wäre nun dein Elevator Pitch für „The Dig“: Ein Mann gräbt ein angelsächsisches Schiff aus. Pitch Ende. Die Filmproduzentin dreht sich zu dir, beäugt dich skeptisch über den Rand ihrer Brille, schiebt sich diese dann mit einer energischen Bewegung zurück auf den Nasenrücken und sagt, während sich die Aufzugstür öffnet, noch über die Schulter hinweg: „Kommen Sie wieder, wenn Sie eine Geschichte haben.“ Und schon wäre es vorbei gewesen mit der Idee, aus der Ausgrabung von Sutton Hoo einen Film zu machen. Zum Glück werden über das Schicksal von Filmen nicht ausschließlich anhand von Elevator Pitches entschieden. Und so dürfen Ralph Fiennes als Ausgräber Basil Brown und Carey Mulligan als Landbesitzerin Edith Pretty ihr Schiff ausbuddeln. Und dabei im Angesicht der Erkrankung von Edith und den drohenden Kriegswolken, die sich am Horizont zusammenbrauen, über die Vergänglichkeit kontemplieren. Es geht in „The Dig“ weniger um die Entdeckung des bedeutendsten angelsächsischen Schiffsgrabes und dessen Folgen, sondern vielmehr um die Zeit an sich, um das Bewahren und das Loslassen, darüber, wie unbedeutend das einzelne Leben im Angesicht der Zivilisationsgeschichte erscheint. Ralph Fiennes und Carey Mulligan mit ihren melancholischen Blicken sind Idealbesetzungen in ihren Rollen. Auch der Rest des Casts (u.a. Lily James, Ben Chaplin, Ken Stott und Johnny Flynn) kann überzeugen. Vielleicht ist der Film an einigen Stellen zu verlangsamt, und was es definitiv nicht gebraucht hätte, ist die schludrig hineingeschriebene Liebesgeschichte zwischen der vernachlässigten Archäologin Peggy Piggott und dem Cousin der Landbesitzerin. Dennoch ist „The Dig“ ein stark gemachtes, entschleunigtes Stück Kino, das sich wunderbar auf einer großen Leinwand gemacht hätte – nicht aufgrund der Wucht der Bilder (dafür gibt es andere Filme), sondern vielmehr, weil es dieser fast meditative Film braucht, dass man sich ablenkungsfrei auf ihn konzentriert, denn nur so wird die Zeit, die er behandelt, auch tatsächlich spürbar. 


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Marie Curie – Elemente des Lebens (2019)

Regie: Marjane Satrapi
Original-Titel: Radioactive
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Biopic, Drama, Historienfilm
IMDB-Link: Radioactive


Biopics gehen immer. Man kennt die Namen, vielleicht die grundlegenden Errungenschaften der Person, aber in der Regel nicht den Hintergrund, nicht die private Seite, nicht die Niederlagen und Tiefschläge, die diese Person auf dem Weg zum ewigen Ruhm einstecken musste. Gleichzeitig sind Biopics oft sehr formelhaft angelegt. Junge Jahre, erste Erfolge, gröbere Misserfolge und dann schließlich der Durchbruch, der Sieg, die Anerkennung – das Ganze vielleicht vom Ausgangspunkt des Lebensendes aus erzählt als Reflexion über das gelebte Leben. „Radioactive“, so der eingängigere Originaltitel, von Marjane Satrapi (ein Film, der übrigens auf einer Graphic Novel beruht) ist diesbezüglich keine Ausnahme. Die Formelhaftigkeit des Films über die bedeutende Wissenschaftlerin Marie Curie, die zusammen mit ihrem Mann Pierre unter Anderem die Radioaktivität entdeckte, kann man diesem durchaus anlasten. Gleichzeitig kann Marjane Satrapi auf die Fähigkeiten ihrer beiden Hauptdarsteller vertrauen. Rosamund Pike und Sam Riley spielen das Ehepaar Curie mit Verve und vielschichtig angelegt. Auch zündet (bei mir zumindest) der Regieeinfall, die Konsequenzen der Forschung der Curies, die Errungenschaften, die daraus entstanden sind, in einer Art Vorblende in den Film einzubauen. So verweist das Biopic über das Leben der Hauptfigur hinaus – etwas, was die Formelhaftigkeit des Films dann auch wieder ein wenig durchbricht. Das muss man nicht mögen, und ich kann jegliche Kritik daran nachvollziehen. Aber für mich hat diese Idee gut gepasst und (neben den Leistungen von Pike und Riley) dabei geholfen, den Film über den üblichen Durchschnitt hinwegzuheben. Und liebe Schüler der Zukunft, die diesen Film mit Sicherheit im Unterricht sehen müsst: Ja, der Film ist lang und ja, es gibt hier herzlich wenige Explosionen und blutige Aliens zu sehen, aber das ist doch immer noch besser, als Formeln von der Tafel abzuschreiben, oder?


7,0
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

The World to Come (2020)

Regie: Mona Fastvold
Original-Titel: The World to Come
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Drama, Liebesfilm, Historienfilm
IMDB-Link: The World to Come


Vereinfacht zusammengefasst ist „The World to Come“ eine Neuauflage von „Brokeback Mountain“, nur im Amerika der 1850er Jahre und unter Frauen. Damit würde man Mona Fastvolds Film aber nicht ganz gerecht werden, auch wenn er die Brillanz von Ang Lees Meisterwerk nicht ganz erreicht. Denn die zarte, sehr indirekt erzählte Liebesgeschichte zwischen Abigail (Katherine Waterston, die einmal mehr eine großartige Leistung bietet) und ihrer etwas weiter entfernt wohnenden Nachbarin Tallie (Vanessa Kirby) berichtet gleichermaßen wie von einer gesellschaftlich unmöglichen Liebe vom langen Weg, den die Emanzipation zu diesem Zeitpunkt noch vor sich hatte, und der auch heute bei weitem nicht abgeschlossen ist. Dabei ist „The World to Come“ kein emanzipatorischer Film, kein Plädoyer, keine flammende Anklage. Es ist ein ruhiger Film, bei dem die Gefühle – ob nun zwischen den Frauen oder auch jenen zwischen ihnen und ihren Männern (Casey Affleck und Christopher Abbott) – unter der Oberfläche gesellschaftlicher Konventionen abgeschirmt sind. Wahrhaftig wird man nur im Privaten, doch da ist der Karren meist schon verfahren. Casey Affleck als Abigails Ehemann zeigt dieses Dilemma sehr deutlich auf. Er möchte ein guter Ehemann sein und er ist auch bereit, sich selbst zurückzunehmen, aber dass er offen über sich, seine Gefühle, seine Beziehung reden kann, dazu ist auch er nicht in der Lage als Kind seiner Zeit. Und so steuert der Film schließlich auf sein konsequentes Ende hin. Positiv hervorzuheben sind neben dem durch die Bank guten Schauspiel auch die hervorragende Ausstattung, die diese bittere, harte Zeit mit all ihren Widrigkeiten zum Leben erweckt, ohne dabei zu dick aufzutragen, sowie die sensible, aber einprägsame Musik von Daniel Blumberg. Ein sehr schöner und erinnerungswürdiger Festival-Beitrag.


7,5
von 10 Kürbissen

(Foto: (c) Viennale)

Abbitte (2007)

Regie: Joe Wright
Original-Titel: Atonement
Erscheinungsjahr: 2007
Genre: Historienfilm, Drama, Liebesfilm
IMDB-Link: Atonement


Ein falscher Satz, und ein ganzes Leben kann auf den Kopf gestellt werden. Diese Erfahrung machen Cecilia (Keira Knightley) und Robbie (James McAvoy). Cecilias Schwester Briony (eine blutjunge Saoirse Ronan, die gleich ihre erste von mittlerweile vier Oscar-Nominierungen einfahren konnte) vermeint Robbie in einer verfänglichen Situation erwischt zu haben und setzt damit Verkettung unglücklicher Umstände in Gang, die mit bedeutungsvoller Musik und langen Shots auf traurige Gesichter untermalt werden können. Grundsätzlich balanciert „Abbitte“ verfänglich nah am Kitsch entlang. Dass diese Grenze allerdings nie überschritten wird, liegt an den herausragenden inszenatorischen Fähigkeiten von Joe Wright sowie den glanzvollen Darstellerleistungen. Das Drehbuch nach dem Roman von Ian McEwan steuert konsequent auf das Titel gebende Thema zu und scheut sich auch nicht davor, den Zuseher vor unangenehme Situationen zu stellen. Gleichzeitig schwingt allerdings vor allem im ersten Teil des Films eine humorvolle Leichtigkeit mit, die den anschließenden Fall nur umso tiefer macht. Zwar nimmt Joe Wright dadurch einige Längen in Kauf, um eben diese Fallhöhe zu konstruieren, und man hätte die Geschichte durchaus ökonomischer erzählen können, aber das stört in diesem Fall kaum. Man muss sich einfach bewusst sein, dass „Abbitte“ kein Film ist, den man nach einem langen Arbeitstag mal nebenher konsumieren kann. Für „Abbitte“ braucht es am besten einen verregneten Sonntagnachmittag, an dem kein Ungemach durch spontan störenden Besuch droht – und der Film schreit gerade danach,  gemeinsam mit Schokolade und heißem Schwarztee genossen zu werden. Der Tee passt zum Setting, die Schokolade braucht man, um die Melancholie, in die einen der Film hüllt, wieder abschütteln zu können.


7,5
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Quelle: imdb.com)

The King (2019)

Regie: David Michôd
Original-Titel: The King
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Drama, Historienfilm, Biopic
IMDB-Link: The King


Zugegeben, ich war verwirrt. Da dauert ein Film über The King fast zweieinhalb Stunden, und kein einziger Hit wird gesungen. Kein Jailhouse Rock, kein In the Ghetto, kein Always on My Mind, kein Viva Las Vegas. Dabei brächte Timothée Chalamet die nötige verschlapfte Coolness mit, um den Hüften schwingenden Halbgott in Leder und Nieten glaubhaft zu porträtieren. Die Locken hätten halt noch schmalziger gehört, aber vielleicht ist den Friseuren am Set auch einfach die Pomade ausgegangen. Aber gut, Biopics sind ja nicht dafür bekannt, bis ins kleinste Detail akkurat zu sein. Irgendwann klingelte es aber auch bei mir. In „The King“ geht es ja gar nicht um „The King“, sondern um Heinrich V., seinerzeit König von England und dankbare Figur in Good Ole Will Shakespeares Dramen. Der trat die Erbschaft seines Vaters Heinrich IV. an und prügelte sich wirkungsvoll im Verlauf des Hundertjährigen Krieges mit den Franzosen bei Azincourt, denen er eine vernichtende Schlappe zufügen konnte, seinen Bogenschützen war Dank. Ganz genau so wie im Film dargestellt hat sich die Schlacht tatsächlich nicht, wie ich kurioserweise aus intensivem Wikipedia-Studium zufälligerweise gerade mal zwei Wochen vor Sichtung des Films erfahren habe (und Wikipedia ist ja, wie wir alle wissen, die verlässlichste Quelle ever), aber wenn man bedenkt, dass es sich bei David Michôds Film um eine fiktionalisierte Verfilmung eines fiktionalisierten Dramas über einen König, dessen Biographie sowieso immer von dessen Biographen beschönigt (oder von der Nachwelt verrissen) wird, muss man ja schon froh sein, dass im Film die Schlacht von Azincourt nicht mit Laserpistolen ausgefochten wurde. Bis es zu diesem Scharmützel kommt, vergehen allerdings eineinhalb teils sehr lange Stunden, die sich der Film für die Charakterentwicklung des jungen Königs Zeit nimmt. So weit, so gut – ich mag ja gut geschriebene Charaktere. Aber wenn man die nicht sieht, weil’s durchwegs dunkel ist (ja ja, das finstere Mittelalter), ist es auch nur halb so spannend. Timothée Chalamet macht seine Sache (mal wieder) sehr gut, Robert Pattinson gibt einen wundervollen Franzosen ab, aber Joel Edgerton, der den Film auch mitproduziert hat, stiehlt allen die Show. Frauen sind schmuckvolle Begleitung, was schade ist, aber in die Zeit passt (wobei es auch wehrhafte Damen gab, die ihre Heere in die Schlacht führten wie beispielsweise die Schwiegertochter von Heinrich V. – aber das ist eine eigene Geschichte, die man später mal verfilmen könnte). Unterm Strich ist „The King“ gelungen und sehenswert, aber nichts Weltbewegendes und historisch auch nicht allzu genau.

 


6,5
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Quelle: imdb.com)

Maria Magdalena (2018)

Regie: Garth Davis
Original-Titel: Mary Magdalene
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Drama, Historienfilm, Biopic
IMDB-Link: Mary Magdalene


Da regen sie sich auf, die rechten Socken: Der Simon Petrus ist ein Neger, das gibt’s ja gar nicht, ab da war der Film mein absoluter Hassfilm, ganz schlimm, so was sollte verboten werden! Dabei könnte man bei Garth Davis‘ Bibelfilm/Biopic „Maria Magdalena“ tatsächlich so einiges kritisieren. Nämlich den zähen Erzählfluss zum Beispiel. Die Geschichte schleppt sich dahin wie Moses durch die Wüste. Oder auch die arg idealisierte Darstellung der Maria Magdalena (Rooney Mara), die einfach so makellos ist, dass selbst Jesus neben ihr wie der ärgste Strizzi wirkt. Oder Jesus selbst, von Joaquin Phoenix arg weinerlich dargestellt. (Das erste Mal, dass ich einer Leistung von Joaquin Phoenix nichts abgewinnen kann, der ist ansonsten für mich eine sichere Bank für Bombenleistungen.) Irgendwie stolpert der Film durch seine zweistündige Laufzeit wie eine angeschossene Milchkuh (Zitat des Biathleten Christoph Sumann nach seinem von Krämpfen geplagten Zieleinlauf beim Olympia-Rennen 2010 in Vancouver). Pflichtbewusst werden die wichtigsten Ereignisses des Neuen Testaments abgeklappert, und man glaubt, es wäre interessant und subversiv, wenn man die Figur der Maria Magdalena als moralisches Gewissen des Fischervereins aufbauen, Judas als Sympathieträger positionieren und Petrus als unsympathischen Nörgler und Zweifler darstellen würde. Nein, es macht einen Film nicht interessant, wenn man Figuren ein klein wenig gegen die bekannten Rollen bürstet, aber ansonsten einfach wie bei Malen nach Zahlen von einem Pflichtfeld zum nächsten hatscht – und das noch in einem wirklich langsamen Tempo. Dafür, dass der schwarze Petrus bei den ganzen FPÖ- und AfD-Jüngern Schnappatmung hervorruft, würde ich dem Film ja gerne noch einen Extrapunkt geben, aber dafür ist er dann doch zu simpel, zäh und schlecht geraten.


4,5
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Quelle: imdb.com)

Intrige (2019)

Regie: Roman Polanski
Original-Titel: J’accuse
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Krimi, Drama, Historienfilm
IMDB-Link: J’accuse


Die Dreyfus-Affäre gehört zu jenen historischen Ereignissen, bei deren Erwähnung man gleich mal aufruft: „Ah ja, natürlich, die Dreyfus-Affäre!“, um sich dann doch am Hinterkopf zu kratzen und darüber zu grübeln zu beginnen, worum es da nun eigentlich ging. Es war ja auch eine verzwickte Geschichte. Da wurde der französische Offizier Alfred Dreyfus (Louis Garrel) 1894 beschuldigt und verurteilt, Spionage für Feindesmächte betrieben zu haben, und auf die Teufelsinsel irgendwo vor Südamerika verbannt. Gemütlich klingt ein solcher Ort nicht. Und was besonders dumm gelaufen ist: Schon bald erhärtete sich der Verdacht in ermittelnden Kreisen, dass der jüdisch-stämmige Dreyfus zu Unrecht verurteilt wurde. Sollte ja kein Problem sein, holt man ihn halt wieder zurück von seinem Felsen, möchte man meinen. Aber weil es halt so fetzendeppert fürs Militär aussieht, wenn rauskommt, dass man in einer beispiellosen Vorverurteilung in Kombination mit völliger Inkompetenz den Falschen verknackt hat, stolpert der neue Chef des Geheimdienstbüros, Marie-Georges Picquard (Jean Dujardin), mit seinen Versuchen einer Wiederaufnahme des Verfahrens in eine Schlangengrube der Vertuschung und Verschwörung ranghöchster Beamter. Und schon bald wird es für ihn selbst ungemütlich. Roman Polanskis „J’accuse“ ist in erster Linie mal ein extrem gut gemachter historischer Justiz-Krimi. Man kann schon allein an der Ausstattung und den Kostümen und den wuchtigen Pornobalken der damaligen Zeit seine Freude haben. Hier knarzt das alte Holz, die Büros wirken so muffig, dass man den Staub fast in der Nase zu spüren meint, und die Garderobe ist dick und kratzt vermutlich beim Tragen. Dazu kommen die gepflegten Umgangsformen in Verbindung mit dem militärischen Drill, was dazu führt, dass viel interessanter als das, was gesagt wird, das ist, was nicht gesagt wird. Jean Dujardin spielt den stoischen Gerechtigkeits-Fan Picquard schlicht grandios. Er verkörpert die inhärente Würde dieses Offiziers, der in einen moralischen Konflikt gezogen wird, an dem Andere zerbrechen würden, so glaubhaft, dass man zu vergessen beginnt, dass Dujardin (schon Oscar-prämiert für „The Artist“) eigentlich aus dem komödiantischen Eck kommt. Aber auch der Rest des Casts muss sich nicht verstecken. „J’accuse“ ist auf allen Ebenen handwerklich überragend umgesetzt, und das schließt das Schauspiel ausdrücklich mit ein. Dazu kommt eine inhaltliche Relevanz, die den Zuseher in Zeiten der wieder aufflackernden Fremdenfeindlichkeit und selbst des Antisemitismus, den wir eigentlich schon fast überwunden glaubten, Parallelen ziehen lässt, die ein ungutes Gefühl in der Magengegend zurücklassen. Es kommt halt doch alles immer wieder zurück – leider nicht nur die Mode der 80er.


7,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Filmladen Filmverleih)