Animation

Tito and the Birds (2018)

Regie: Gabriel Bitar, André Catoto und Gustavo Steinberg
Original-Titel: Tito e os Pássaros
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Animation
IMDB-Link: Tito e os Pássaros


Fast hätte ich diesen Film ausgelassen, den ich als vierten Film meines /slash-Filmfestival-Besuchs auserkoren hatte. Das war so ein Wackelkandidat – wenn ich rechtzeitig aus dem Büro rauskomme, nehme ich ihn mit, ansonsten sehe ich diesen Animationsfilm, der eher der Überbrückung bis zum Spätabendprogramm dient, halt nicht. So what? Und jetzt sitze ich im orientalischen Lokal, lausche bei einem Glas Ayram dem Donauwalzer (Sie lesen gerade ein Kapitel aus dem Wälzer „The strange life of a film critic“) und versuche, das soeben Gesehene angemessen in Worte zu kleiden, die diesem kleinen Wunderwerk gerecht werden können. „Tito and the Birds“ ist nämlich ein Film, den ich uneingeschränkt wirklich jedem empfehlen kann, ob filminteressiert oder nicht, ob alt, ob jung – so etwas kommt selten vor. Gemacht ist dieser Animationsfilm in einer spannenden (und vielleicht anfangs etwas gewöhnungsbedürftigen) Mischung aus mit groben Pinselstrichen gemalten Ölbildern im Hintergrund und digitaler und grafischer Animation der Figuren im Vordergrund. Dadurch wirkt der Film zum Einen wunderschön mit seinen kräftigen, lebhaften Farben und fokussiert gleichzeitig auf die optisch sehr einfach gehaltenen, aber dennoch ausdrucksstarken Figuren. Allein das schon macht den Film sehenswert. Nun kommen aber noch zwei Elemente hinzu, die „Tito and the Birds“ zum Meisterwerk aufsteigen lassen: Die expressive, intensive Musik und das Herzstück des Films, die unglaublich fantasievoll erzählte, kluge Geschichte. Denn in „Tito and the Birds“ geht es um die Angst und wie sie in die Welt kam. In einer Großstadt bricht eine seltsame Epidemie aus, die die Menschen zu Steinklumpen schrumpfen lässt. Allein Tito und seine Freunde stellen sich ohne Angst dieser Epidemie entgegen. Tito vermutet, dass die Sprache der Vögel, die sein Vater erforschte, der nach einem fatalen Unfall die Familie verlassen musste, der Schlüssel zur Heilung sein könnte. Und so baut er eine Maschine, um die Sprache der Vögel zu lernen und zu verstehen. Angereichert ist die Geschichte mit vielen liebevoll durchdachten Details und vielschichtigen Figuren, die so organisch miteinander verwoben sind, dass der Film für ein jüngeres Zielpublikum (10+) gut verständlich und unterhaltsam ist, den erwachsenen Zusehern aber einen Raum voller Ebenen öffnet, in dem sich intelligent verpackte Gesellschaftskritik und ein sehr deutliches Statement zur sozialen Kälte unserer Zeit und dem Wiederaufkeimen von faschistischen und diktatorischen Regimes finden lässt. „Tito and the Birds“ ist mit Herz und Hirn gleichermaßen gemacht und ein Wunder an Fantasie und Kreativität. Einer der Filme des Jahres für mich.


9,0
von 10 Kürbissen

(Foto: /slash Filmfestival)

https://www.youtube.com/watch?v=fDtPluE997c

Persepolis (2007)

Regie: Marjane Satrapi und Vincent Paronnaud
Original-Titel: Persépolis
Erscheinungsjahr: 2007
Genre: Animation, Biopic, Drama, Politfilm
IMDB-Link: Persépolis


Kind zu sein, aufzuwachsen und erwachsen zu werden ist per se schon mal eine unfassbar schwierige Übung. Doch das, was wir wohlstandsverwöhnten Rotzpippn in den Jahren vor, während und nach der Pubertät erleben, ist kein Vergleich zu Marjane Satrapis Aufwachsen. Die iranische Filmregisseurin erlebte als Kind die Islamische Revolution im Iran mit – mit allen negativen Auswüchsen, die die neu ausgerufene Republik in weiterer Folge so zeigte. Ihr Onkel wurde ermordet, viele Freunde verloren Familienmitglieder, die Regeln der patriarchischen Gesellschaft für Frauen wurden strenger und strenger, bis sie in offene Repressalien mündeten. Dem gegenüber steht die Freude am Leben, die sich in illegalen Feiern zeigt oder, wie bei Marjane, in der Liebe zu Hard Rock und Punk. Auch sind weder sie noch ihre Mutter oder Großmutter je um einen Spruch verlegen, wenn sie blöd angemacht werden. Doch die Zeiten sind gefährlich, und so beschließen ihre Eltern, Marjane nach Wien zu schicken, wo sie in Sicherheit aufwachsen soll. Marjane Satrapis Blick zurück ist ausgewogen und reflektiert – sie vergisst weder die guten, unbeschwerten Momente wie jene der völligen Verzweiflung. Dies alles wird mit einer wundervollen Lakonie in einfachen, aber effektiven Schwarz-Weiß-Zeichnungen erzählt. Auch geht Satrapi sehr selbstironisch mit ihrer Entwicklung um, mit den Entscheidungen, die sie gefällt hat, den guten wie den schlechten. Und sie begreift alles, was ihr zugestoßen ist, als Schritte in einem Entwicklungsprozess, der wohl nie abgeschlossen ist – wie es eben so ist im Leben. Das alles macht aus „Persepolis“ einen wirklich wunderbaren Coming of Age-Film mit einer klaren politischen und gesellschaftlichen Dimension, die den Film gerade für uns westliche Zuseher noch einmal zusätzlich hervorhebt über die meisten anderen guten Coming of Age-Filme. Unbedingt empfehlenswert, unabhängig davon, ob man sich für diese Art der Animation begeistern kann.


8,0
von 10 Kürbissen

Der Brotverdiener (2017)

Regie: Nora Twomey
Original-Titel: The Breadwinner
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Animation, Drama
IMDB-Link: The Breadwinner


Kabul, Afghanistan, zu Beginn des neuen Jahrtausends und kurz vor Nine-Eleven. Das Land ist in den Händen der Taliban, die mit Gesetzeswillkür und religiösem Fanatismus das Leben der Menschen zu einem Minenfeld machen. Eine falsche Aussage, einmal jemanden am falschen Fuß erwischt, und schon sitzt man unschuldig im Gefängnis. So ergeht es dem Vater der jungen Parvana, einem alten Kriegsveteranen, der im Krieg gegen die Sowjetunion ein Bein verloren hat. Übrig bleiben Parvana, ihre ältere Schwester, ihre Mutter und ihr jüngster Bruder, ein Kleinkind. Die Repressalien der Taliban haben dazu geführt, dass Frauen sich nicht allein auf der Straße blicken lassen dürfen und vom Alltag so gut wie ausgeschlossen sind. Was also tun? Der Versuch der Mutter, gemeinsam mit Parvana zum Gefängnis zu gehen um ihren Mann zu sehen, geht fürchterlich schief. Parvana sieht keine andere Möglichkeit, ihre Familie vor dem Verhungern zu retten, und schneidet sich die Haare ab. Als Junge kann sie zumindest zum Markt einkaufen gehen. Dort trifft sie bald auf ihre ehemalige Mitschülerin Shauzia, die ebenfalls als Junge verkleidet ums Überleben kämpft. Gemeinsam schlagen sich die beiden durch, um genug Geld zusammenzubekommen, dass Parvana versuchen kann, die Obrigen im Gefängnis zu bestechen und ihren Vater zu befreien. In diese ohnehin schon sehr eindringliche und aufwühlende Geschichte eingearbeitet ist eine zweite Geschichte, jene vom jungen Helden Sulayman, der das Saatgut zurückbringen möchte, das ein bösartiger Elefantengott aus seinem Dorf gestohlen hat. Mit dieser Geschichte versucht Parvana, ihren verängstigten kleinen Bruder zu trösten – doch es geht hier um viel mehr. Diese fantastische Geschichte ist auch so etwas wie ihr eigenes Mantra – und am Ende, wo sich in dramatischer Weise die Ereignisse überschlagen, finden Realität und Fiktion auf bedrückende Weise zueinander. Der für einen Oscar nominierte Animationsfilm „The Breadwinner“ geht unter die Haut. Allerdings ist der Film trotz allem nicht deprimierend, sondern weiß eine Botschaft der Hoffnung zu vermitteln, auch wenn man als Zuseher die Realität und die Ereignisse nach 2001 kennt. Dennoch zeigt der Film vor allem eines: Das Wichtigste im Leben ist es, sich die Menschlichkeit zu bewahren – und diese findet man überall, auch an den finstersten Orten.


8,0
von 10 Kürbissen

Die Abenteuer des Prinzen Achmed (1926)

Regie: Lotte Reiniger
Original-Titel: Die Abenteuer des Prinzen Achmed
Erscheinungsjahr: 1926
Genre: Animation, Fantasy
IMDB-Link: Die Abenteuer des Prinzen Achmed


Prinz Ahmed ist schon ein Strizzi. Kaum wird er von einem bösen Zauberer hereingelegt, der sich des Bruders seiner Angebeteten mit Hilfe eines fliegenden Pferds entledigt, das den Prinzen immer weiter von zuhause fort trägt, lässt sich der so ins Exil beförderte Prinz erst mal auf ein Techtelmechtel mit gleich fünf hübschen Damen ein, raubt dann eine schöne Nackte aus ihrer Heimat, die er beim Baden im See gestalkt hat, verscherzt es sich so mit bösen Dämonen, und herausreißen aus der ganzen Misere muss den abenteuerlustigen Schwerenöter ausgerechnet Aladin, dem zwischenzeitlich seine Zauberlampe flöten gegangen ist, und eine hässliche Hexe. So viel zum Heldentum. Verbuchen wir das Ganze als jugendlicher Leichtsinn. Dass das Abenteuer des Prinzen trotzdem auch fast 100 Jahre nach dem Entstehen faszinieren kann, liegt in der unglaublich fantasievollen Machart. Lotte Reiniger schuf einen der ersten abendfüllenden Trickfilme der Geschichte mithilfe liebevoll gestalteter Scherenschnitte, die mit einem Detailreichtum aufwarten, der schnell vergessen lässt, dass sich hier nur Schatten über farbigem Hintergrund bewegen. Drei Jahre lang arbeiteten Lotte Reiniger und ihr Team an diesem Film, dessen Alter nur aufgrund der manchmal arg naiven Erzählstruktur durchschimmert. Tricktechnisch jedoch können die Scherenschnitte, die auch in dramatischen Situationen sehr gut funktionieren, auch heute noch überzeugen. Das ist vor allem Lotte Reinigers unbändiger Fantasie zu verdanken, die jedes Tableau mit viel Witz und einem Hauch von Expressionismus bedacht hat. Dieser Film wird auch die nächsten 100 Jahre gut überstehen, da bin ich mir sicher.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 29 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


8,0
von 10 Kürbissen

Gordon und Buffy (2017)

Regie: Linda Hambäck
Original-Titel: Gordon och Paddy
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Animation
IMDB-Link: Gordon och Paddy


Gordon ist der Polizeiinspektor des Waldes und hat im Laufe seiner Dienstjahre schon viel gesehen. Seine Ermittlungsarbeit ist legendär, die Bewohner des Waldes vertrauen ihm. Nur ist Gordon allmählich im pensionsreifen Alter. So kommt es ihm gelegen, als er die aufgeweckte Buffy (im Original: Paddy, und es weiß mal wieder kein Mensch, warum man so eingängige Eigennamen ändern muss) kennenlernt und diese zur Assistentin und später Nachfolgerin aufbaut. Der erste gemeinsame Fall betrifft den Diebstahl von Eichhörnchen Valdemars Nussvorrat. Der Hauptverdächtige ist für Gordon rasch gefunden: Der Fuchs, der Listige, der Gefährliche. Und damit bekommt Gordon das große Zittern, nicht nur aufgrund der Winterkälte. Gordon ist nämlich nur ein kleiner Frosch und seine Assistentin Buffy eine Maus. Was soll man da gegen den großen, starken, schnellen und gefräßigen Fuchs anfangen? Nichtsdestotrotz nehmen Gordon und Buffy die Ermittlungen auf und versuchen, den Fuchs auf frischer Tat zu ertappen. „Gordon und Buffy“ ist ein liebevoll gezeichnetes Abenteuer für die Kleinen. Sowohl die Story als auch die Zeichnungen selbst sind sehr einfach gehalten und überfordern auch die Kleinsten nicht, beinhalten aber eine wertvolle Botschaft, nämlich jene, dass man sich vor Vorurteilen hüten sollte und dass selbst die Besten nicht davor gefeit sind. Die Einfachheit der Erzählung geht natürlich zu Lasten des Genusses für die Erwachsenen, denen das kindliche Abenteuer wohl zu simpel gestrickt sein dürfte, um wirklich gut zu unterhalten. Allerdings kann auch der ausgewachsene Kinobesucher sich an den im besten Sinne naiv gehaltenen Animationen erfreuen, und auch die musikalische Untermalung ist in „Gordon und Buffy“ sehr hörenswert. Und die Moral von der Geschicht‘: Der Fuchs ist böse, oder er ist es nicht.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 8 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


5,5
von 10 Kürbissen

(Foto: (c) LEE Film)

 

Isle of Dogs – Ataris Reise (2018)

Regie: Wes Anderson
Original-Titel: Isle of Dogs
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Animation, Drama, Komödie
IMDB-Link: Isle of Dogs


Mit Wes Anderson ist es so eine Sache. Entweder man liebt seine Filme, oder man kann mit seiner Überstilisierung und seiner Lakonie gar nichts anfangen. Ich gehöre definitiv zur ersten Gruppe. Und so gibt es kaum einen Film, auf den ich mich in der letzten Zeit mehr gefreut habe als auf „Isle of Dogs“, den neuen Stop Motion-Animationsfilm von Wes Anderson, der in diesem Genre schon mit „Der fantastische Mr. Fox“ zu begeistern wusste. „Isle of Dogs“ erzählt die sehr japanische Geschichte der Verbannung aller Hunde auf eine Müllinsel, da der diktatorisch agierende Bürgermeister Kobayashi Hunde hasst. Auch der Hund seines Mündels Atari wird deportiert. Das lässt nun eben jener 12jähriger Atari nicht auf sich sitzen, also kapert er kurzerhand ein Flugzeug, um auf die Müllinsel zu fliegen und nach seinem Hund zu suchen. Dort macht er schnell die Bekanntschaft eines Rudels, vom Streuner Chief angeführt, das ihm fortan bei der Suche zur Seite steht. „Isle of Dogs“ ist ein warmherziges Plädoyer für Außenseiter und Ausgestoßene. Es geht um Treue, um Loyalität, um Freundschaft. Es ist einfach, Parallelen zu heutigen Problemen und politischen Entwicklungen zu ziehen, und doch funktioniert der Film gleichermaßen für sich selbst, auch wenn man die politische Agenda ausblendet. Auch das Handwerkliche ist wieder mal auf eine für Wes Anderson typische Weise brillant – diese unglaubliche Liebe zum Detail, die Figurenzeichnung, die Musik von Alexandre Desplat, das alles trägt dazu bei, dass „Isle of Dogs“ fantastisch aussieht. Selten hat Andersons geometrisch durchkomponierter Stil so gut gepasst wie bei diesem Film. Ein weiteres Meisterwerk von Wes Anderson, das bei mir sofortige Liebesgefühle erweckt hat, und die Erstbewertung von 9,5 könnte nach mehrmaliger Sichtung auch noch zur 10 werden und „Isle of Dogs“ damit in die Riege der absoluten Lieblingsfilme aufsteigen.


9,5
von 10 Kürbissen

(Foto: (c) 2017 Twentieth Century Fox)

Loving Vincent (2017)

Regie: Dorota Kobiela und Hugh Welchman
Original-Titel: Loving Vincent
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Animation, Krimi
IMDB-Link: Loving Vincent


Beworben wird „Loving Vincent“ als „schönster Film des Jahres“. Wie kommt es dazu? Nun, man muss wissen, dass sich die bildnerische Künstlerin Dorota Kobiela und ihr Ehemann Hugh Welchman nichts Geringeres vorgenommen haben als den ersten, komplett in Öl gemalten Langfilm zu produzieren. Und zwar einen, der auf etwa 100 Meisterwerken von Vincent van Gogh beruht, die in etwa 60.000 Einzelbildern zum Laufen gebracht wurden. Erzählt wird die Geschichte der letzten 6 Wochen im Leben van Goghs bis zu seinem überraschenden Selbstmord in Frankreich. Der aufbrausende Armand Roulin erhält von seinem Vater, einem mit van Gogh befreundeten Postler, die Aufgabe, dem Bruder von Vincent van Gogh dessen letzten Brief zuzustellen. Zunächst geht Armand recht widerwillig an diese Aufgabe heran, doch ist bald seine Neugier geweckt, als er feststellt, dass sich van Goghs Umfeld in Widersprüche verstrickt, was die Umstände seines Todes betrifft. Und so wird daraus bald ein Kriminalfall, den Armand in bester Hard-Boiled-Manier angeht. Würde man rein die Erzählung bewerten, so fiele das Urteil über den Film wohl weniger günstig aus. Zwar ist der Krimi durchaus interessant erzählt und hält über die Laufzeit hinweg in Laune, doch bleibt vieles entweder im Dunkeln oder wirkt arg konstruiert. Überhaupt bleibt der Film eher an der Oberfläche van Goghs, zu dem der Zuseher über die ganze Laufzeit hinweg nicht wirklich einen Zugang findet, da interessanterweise gerade bei diesem Film, der für seine Bilder gepriesen wird, die Prämisse „show, don’t tell“ weitestgehend ignoriert wird. Der Film besteht aus einem durchs Dorf laufenden Armand, der mit verschiedenen Menschen über van Gogh spricht und die ihre Sicht erzählen, untermalt durch in Schwarz-Weiß gehaltenen Rückblenden. Allerdings hat man solche Bilder tatsächlich noch nie gesehen. Hier atmet jedes einzelne Frame den Geist van Goghs. Wer jemals vor einem meisterhaften Gemälde gestanden ist und sich in die darin gezeigte Landschaft hineinprojiziert hat, wird bei diesem Film aus dem Staunen nicht mehr heraus kommen. „Loving Vincent“ ist in der Tat ein visuelles Virtuosenstück, das neue Wege in der Filmkunst bestreitet. Da lässt es sich auch verschmerzen, wenn die Storysuppe selbst ein wenig dünn geraten ist – die üppigen Beilagen gleichen das jedenfalls aus.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 69 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


7,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Luna Filmverleih)

Coco – Lebendiger als das Leben! (2017)

Regie: Lee Unkrich
Original-Titel: Coco
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Animation
IMDB-Link: Coco


Wie es nicht geht, zeigt der Vorfilm „Olaf taut auf“ – ein sentimentales, überzuckertes Weihnachts-Rührstück nach Schema F. Man möchte gar nicht glauben, dass der Film aus dem gleichen Studio stammt wie der Hauptfilm „Coco“. Denn „Coco“ ist mal wieder ein Meisterwerk. „Inside Out“, „Ratatouille“, „Wall-E“ – die Liste der herausragenden Pixar-Filme, die Hirn und Herz gleichermaßen verbinden, ist lang, und „Coco“ hat kein Problem, sich in diese illustre Riege hineinzuschieben. Dabei ist die Ausgangsbasis für die Geschichte durchaus riskant: Ein Film, der im mexikanischen Reich der Toten spielt. Dass der Film keinerlei Spuren von Morbidität aufweist, sondern herzerwärmend menschlich ist, ist schon mal eine große Leistung für sich. Aber es geht noch tiefer: Denn die Geschichte des jungen Miguel, der einer Schuhmacherfamilie entspringt und doch viel lieber Musiker werden möchte wie sein Urgroßvater, über den man allerdings nicht mehr spricht, hat doch dieser Taugenichts die Familie verlassen, um Karriere zu machen, ist ein modernes Märchen über die Familie und eine bunte Hommage an Mexiko. Miguel wird am Tag der Toten in das Reich eben jener hineingezogen und muss, um wieder zurück in die Welt der Lebenden zu gelangen, den Segen eines Familienmitglieds erlangen. Dabei erweisen sich seine Tanten und Onkel als wenig hilfreich, machen sie es doch zur Bedingung, dass Miguel fortan auf Musik verzichtet. So bleibt nur die Flucht nach vorne und die Suche nach seinem musikalischen Idol, den Superstar Ernesto de la Cruz, von dem er sich den Segen für die sichere Heimkehr erhofft. Als Kritikpunkt habe ich gelesen, dass der Film sehr konservativ sei – und ja, er stellt die Familie über alles. Allerdings muss man hierbei auch die Kultur und Tradition Mexikos mitberücksichtigen, wo tatsächlich die Familie eine größere Rolle spielt als andernorts. Und wenn man sich von diesem traditionellen Familienbild nicht stören lässt, dann erwartet einen mit „Coco“ ein unglaublich menschlicher, sehr emotionaler Film. Als kleinen persönlichen Kritikpunkt würde ich die relativ überraschungsfrei erzählte Story und die manchmal fehlende Figurentiefe nennen. Das haben wir vor allem von Pixar schon vielschichtiger gesehen. Aber geschenkt. „Coco“ trifft bei mir mitten ins Herz. Am Ende hatte ich feuchte Augen. Für mich ein sicherer Oscar-Gewinner 2018 und ein wunderbares Abenteuer für die ganze Familie.


8,5
von 10 Kürbissen

Mein Leben als Zucchini (2016)

Regie: Claude Barras
Original-Titel: Ma vie de Courgette
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Animation
IMDB-Link: Ma vie de Courgette


Der Oscar-nominierte französisch-schweizerische Animationsfilm „Mein Leben als Zucchini“ erzählt im Stop-Motion-Verfahren vor liebevoll gestalteten Kulissen eine tragische Geschichte, die an die Nieren geht. Der 9jährige Icare, genannt „Zucchini“, wächst in einem vaterlosen Umfeld mit seiner alkoholkranken und jähzornigen Mutter auf. Eines Tages verursacht er einen Unfall, bei dem seine Mutter stirbt, und er kommt in ein Waisenhaus. Dort trifft er auf Leidensgenossen, mit denen er sich erst einmal zusammenraufen muss, denn die traumatisierten Kinder sind nicht unbedingt leicht zugänglich, und auch Zucchini selbst ist schwer traumatisiert. Allmählich aber findet er hier unter den Ausgestoßenen seinen Platz. „Mein Leben als Zucchini“ ist ein großartig erzählter Film über das bisschen Liebe, das uns allen zusteht, über die Kindheit, über Freundschaften und den Versuch, sich in einem widrigen Umfeld zu behaupten. Es ist ein Film über die kleinen Gesten, die ein Leben erträglich machen. Und alles ist konsequent erzählt aus der Sicht der Kinder, unsentimental, aber gerade durch diese Echtheit der Gefühle so niederschmetternd und ergreifend. Kinder werden hier nicht idealisiert, sie können böse und gemein und unfair sein, sind aber auch zu großer Güte und Herzenswärme fähig. Selten wurde die Widersprüchlichkeit, die jedem Kind innewohnt, so konsequent und empathisch dargestellt wie in diesem Film. Visuell findet der Film eine sehr eigene und individuelle Ausdrucksmöglichkeit. „Mein Leben als Zucchini“ ist sicherlich nicht einfach anzusehen ob der harten Thematik und des unsentimentalen Blicks, aber gerade das lässt ihn emotional lange nachhallen. Für den Oscar wird es wohl nicht reichen, dazu ist der Film zu „klein“ und auch zu unangepasst, er wird gegen die Marketingmaschinerie von „Zootopia“ nichts ausrichten können, aber ich freue mich, dass er durch die Nominierung nun zumindest ein bisschen Aufmerksamkeit bekommt.


8,0
von 10 Kürbissen

The LEGO Batman Movie (2017)

Regie: Chris McKay
Original-Titel: The LEGO Batman Movie
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Animation
IMDB-Link: The LEGO Batman Movie


„The LEGO Movie“ war 2014 eine positive Überraschung. Rotzfrech, ein bisschen anarchisch, gut animiert und mit einer schönen Botschaft am Ende hat mich ein Film mit Figuren aus LEGO-Steinen 1,5 Stunden lang großartig unterhalten. Einer der Helden des Films war Batman, dem nun mit „The LEGO Batman Movie“ ein eigener Film gewidmet wird. Nun, der Einserschmäh mit den LEGO-Bausteinen hat sich mittlerweile etwas abgenutzt, mittlerweile kennt man das ja. Dennoch funktioniert „The LEGO Batman Movie“, weil es einfach das herrlich abgedrehte Setting nimmt, um konsequent die Superheldenfilme der letzten Jahre zu dekonstruieren. Batman, der einsame Rächer, hat massive Bindungsängste, und von Teamwork hält er rein gar nichts. Aber wenn nicht nur alle Superschurken des DC-Universums, sondern auch gleich noch der gesamten Filmgeschichte gegen ihn ins Feld ziehen, gerät auch er an seine Grenzen und muss die Lektion lernen, dass man manche Dinge eben nur mit Unterstützung Anderer schafft. Auch in „The LEGO Batman Movie“ ist der Humor herrlich abgedreht. Ein wenig ist er für mich aber hinter „The LEGO Movie“ zurück, da er im Vergleich zum Vorgänger einen deutlicheren Fokus auf die Action hat, wodurch die Story selbst ein wenig zurückbleibt. Das war in „The LEGO Movie“ noch deutlich vielschichtiger angelegt. Dennoch bietet auch „The LEGO Batman Movie“ einen unterhaltsamen Kinoabend mit vielen Lachern.


7,0
von 10 Kürbissen