Regie: Philippe Lesage
Original-Titel: Comme le feu
Erscheinungsjahr: 2024
Genre: Drama
IMDB-Link: Comme le feu
Es gibt Filme, über deren objektive Qualität man vielleicht streiten kann, die aber beim Zuseher, wenn dieser in der richtigen Stimmung ist, einen Nerv treffen. Der entzückende Märchenfilm Riddle of Fire war letztes Jahr so ein Film für mich, und auch dieses Mal erwischt mich wieder ein Film mit Feuer im Titel. „Comme le feu“ (internationaler Festival-Titel: „Who by Fire“) des frankokanadischen Regisseurs Philippe Lesage ist ein sinnliches Erlebnis, das bereits in der ersten Szene, als es nicht mehr zu sehen gibt als ein Auto, das durch eine kanadische Waldlandschaft fährt, durch die Kraft von Bildern und Musik einen Sog aufbaut, dem ich mich nicht entziehen kann. In diesem Auto sitzt der Drehbuchautor Albert (Paul Ahmarani), der zusammen mit seinem Sohn Max (Antoine Marchand-Gagnon) und seiner Tochter Aliocha (Aurélia Arandi-Longpré) sowie Max’s Schulfreund Jeff (Noah Parker) seinen alten Kollegen, den renommierten Regisseur Blake (Arieh Worthalter) in dessen abgelegener Hütte besucht. Mehrere Tage wollen die alten Freunde in der Unbeschwertheit der Natur verbringen, angeln, jagen, über Filme philosophieren. Jeff hat gleich ein zweifaches Interesse an diesem Urlaubstrip: Zum Einen ist er hoffnungslos (und unerwidert) verknallt in Aliocha, zum Anderen möchte er selbst Filmregisseur werden und freut sich demnach sehr auf die Gelegenheit, von seinem Idol Blake zu lernen. Doch wird die Harmonie bald von Spannungen überlagert, als Albert und Blake alte Animositäten ausgraben. Philippe Lesage zeigt in seinem handlungsarmen, aber subtilen Film vor allem zwischenmenschliche Distanzen und Entfremdungen: Während Albert, der nun für das einst verhasste Fernsehen schreibt, in den Augen Blakes seine Ideale verraten hat, hegt dieser einen Groll auf Albert, da er sich nun dem Dokumentarfilm zugewandt hat und dementsprechend keinen Bedarf mehr für seinen alten Drehbuchautor hat. Beide versuchen sich, in männlichem Gehabe zu übertreffen, um eigene Überlegenheit zu suggerieren. Jeff wiederum versucht die Distanz zu Aliocha zu überbrücken, wobei ihm allerdings die Unbeholfenheit der Jugend einen Strich durch die Rechnung macht. Als noch ein befreundetes Ehepaar für einige Tage dazustößt, hat sich bereits ein gefährlicher Cocktail von Balzgehabe und toxischer Männlichkeit gebildet, der überzulaufen droht. Was „Comme le feu“ so stark macht, ist die Verweigerung einer klaren Zielrichtung. Man kann sich nie sicher sein, was in der nächsten Szene wartet. Da wird schon mal eine absurd komische Szene von einer bedrohlichen Thriller-Szene abgelöst, ehe man versonnen am Feuer sitzt und über das Leben kontempliert. Wie auch im Leben selbst kann man nie wissen, was als nächstes um die Ecke kommt. Das alles betrachten wir aus den Augen von Jeff, wobei die Zuseher sowohl die Rolle seines Komplizen als auch die seines Kritikers einnehmen. Alles ist in Bewegung in diesem Film, Grenzen werden ständig neu verhandelt, Komik und Tragik liegen eng beieinander, und am Ende des Films ist man sich vielleicht keiner umfassenden Veränderung der Charaktere bewusst, hat aber das Gefühl, dass diese zumindest neue Sichten auf das Leben gewonnen haben, das so seltsam verwirrend ist, wenn junge Liebe und alter Hass nebeneinander stehen und sich gegenseitig ausstechen wollen. Philippe Lesage selbst sagte während des Q&As nach dem Film sinngemäß, dass er vor allem an der Komik dieser männlichen Gefühlswelten interessiert sei, und das trifft es als Fazit vielleicht am besten.

8,5 Kürbisse
Foto: (c) Viennale
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