Ein ganzes Leben (2023)

Regie: Hans Steinbichler
Original-Titel: Ein ganzes Leben
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Drama, Heimatfilm
IMDB-Link: Ein ganzes Leben


Gut möglich, dass Robert Seethaler ein Fan von John Williams‘ (der Schriftsteller, nicht der Komponist) Roman „Stoner“ ist. Ich bin es jedenfalls. Worum es in „Stoner“ geht: Um ein einfaches Leben eines Universitätsprofessors, dem das Schicksal immer wieder mal Steine in den Weg legt, und der doch unbeirrbar weitermacht, einfach, weil es halt so ist, das Leben, weil es immer weitergehen muss. Robert Seethaler scheint diese Geschichte aufgegriffen und in den Bergen angesiedelt zu haben, dort, wo das Leben ohnehin immer eine mühevolle Qual ist, weil das Wetter unbeständig und hart, die Natur grausam und die Wege weit und beschwerlich sind. In Hans Steinbichler Verfilmung plagt sich der Knecht Andreas Egger (großartig verkörpert von Stefan Gorski und August Zirner) durch dieses Leben. Vom Ziehvater (Andreas Lust als besonders fieser Fiesling) regelmäßig verdroschen, bis schließlich Schäden bleiben, bleibt Andreas ein wortkarger Außenseiter, der nur Entbehrungen und Mühsal kennt. Es verwundert nicht, dass er als junger Mann, als er die Gelegenheit dazu bekommt, ganz weit hinauf auf den Berg zieht, wo er vor seiner kleinen, kargen Hütte Gemüse zieht und den Bauarbeitern zusieht, die weiter unten die erste Seilbahn der Region bauen. Als er sich in Marie (Julia Franz Richter) verliebt, wird auch Egger ein Seilbahner – er möchte eine Familie gründen, und dafür braucht er Geld. Doch nichts geht einfach in Eggers Leben. Immer wieder muss er sich neuen, harten Schlägen stellen, doch er setzt diesen stoisch sein ganzes Wesen entgegen. Immer weiter, immer weiter, weil es ja weitergehen muss. Die ganze Grausamkeit des Lebens wird in Eggers Existenz sichtbar, doch reichen die kleinen Glücksmomente aus, um diese abzufedern oder vielleicht auszugleichen? Es ist diese existentialistische Grundüberlegung, die Steinbichlers Film trägt. Es passiert nicht viel und noch weniger Außergewöhnliches, und doch folgt man gebannt diesem einfachen und beschwerlichen Leben, nicht aus Voyeurismus, sondern weil sich dahinter eine fundamentale Wahrheit verbirgt: Das Leben ist das, was wir selbst daraus machen. Bedeutung hat das, was wir Bedeutung geben. Und das ist die tröstliche Botschaft in einem Heimat- oder vielmehr Antiheimatfilm, der sich in die Kategorie „schwere Kost“ einordnen lässt. Dennoch: Handwerklich ausgezeichnet gemacht mit eindrucksvoller Kulisse und viel Liebe zur Ausstattung ist „Ein ganzes Leben“ ein Ereignis, das man nicht missen sollte, so sperrig es sich manchmal auch anfühlt.


7,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.tobis.de)

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