Regie: Laura Poitras
Original-Titel: All the Beauty and the Bloodshed
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Dokumentation
IMDB-Link: All the Beauty and the Bloodshed
Über Nan Goldin, die mit ihren Fotografien in den berühmtesten Kunstmuseen der Welt, darunter die Tate Modern Gallery, das Metropolitan Museum, das Guggenheim Museum oder der Louvre in Paris, ausgestellt wird, wusste ich vor Laura Poitras Porträt recht wenig, was eine Umschreibung für „nichts“ ist. Allein schon aus diesem Grund ist die Sichtung von „All the Beauty and the Bloodshed“ eine durchaus erhellende Sache, kommt man doch einer faszinierenden Künstlerseele näher. Allein schon das Eintauchen in ihre bunte, sehr bewegte Biographie (mit von ihr selbst schonungslos offen gelegten Tiefen, aber auch den Höhen), die sich hauptsächlich in wilden New Yorker LBGTQ-Kreisen bewegt, unterhält und bewegt den Zuseher über die volle Filmlänge. Doch Laura Poitras gibt sich nicht damit zufrieden, ein einfühlsames Künstlerporträt zu zeigen, so wie sich Nan Goldin auch nicht damit zufrieden gibt, ihre Fotos zu schießen und auszustellen. Beide Frauen haben weitere Antriebe, sie wollen ein Stachel im Fleisch sein – Nan Goldin in jenem der Familie Sackler, bedeutende Kunstmäzene, nach denen ganze Flügel in den größten Museen der Welt benannt wurden, und Laura Poitras in unserem, jenem der Zuseher, die sich mit Abschweifungen und Foto-Collagen konfrontiert sehen, die zuweilen gegen die üblichen Sehgewohnheiten gehen. Aber was hat es nun mit dem Grant der rüstigen Dame gegen die Familie Sackler auf sich? Nun, die Sacklers beziehen ihren unermesslichen Reichtum, der sie Kunstschätze aus aller Welt anhäufen ließ, durch ihre Pharmakonzerne. Diese wiederum sind unter anderem für die Einführung von Valium verantwortlich (ein durchaus einträgliches Geschäft), aber auch für die Opioid-Krise in den USA, da deren Schmerzmittel, das die Ärzte dort wie Hustenbonbons verschreiben, hochgradig süchtig macht und oft als Einstiegsdroge für die dann ganz harten Sachen dient. Nan Goldin war eine der vielen Abhängigen, sie spricht also aus Erfahrung und hat somit mit der Familie Sackler auch eine persönliche Rechnung offen. In die Künstlerbiographie ist also auch geschickt der Kampf von Nan Goldin gegen die übermächtige Familie Sackler eingewoben, und nach und nach begreift man, dass Werk, Künstlerin und Frau zu einem großen Ganzen verschmelzen – dass das künstlerische Werk Ausdruck eines inneren Antriebs ist, Ausdruck eines Aufbegehrens gegen gesellschaftliche Einschränkungen und die Allmacht der herrschenden Klasse. So formt sich über Werk und Wirken das Bild einer schillernden Persönlichkeit, die mit ihrer Courage, ihrem Gerechtigkeitssinn und einer schonungslosen Ehrlichkeit auch gegenüber sich selbst für viele als Vorbild dienen kann. Der Film, der sie porträtiert, mag zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig wirken, entwickelt aber mit der Zeit einen unwiderstehlichen Sog, der der großartigen Nan Goldin gerecht wird.

8,0 Kürbisse
(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)