Craig Gillespie

Cruella (2021)

Regie: Craig Gillespie
Original-Titel: Cruella
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Komödie, Krimi
IMDB-Link: Cruella


Zugegeben: Der Film war von Anfang an ein riskantes Unterfangen. Ein fiktives Biopic über die Hintergründe einer der fiesesten Disney-Bösewichte ever – das kann auf mehreren Ebenen fürchterlich in die Hose gehen. Zum Einen stellt sich die Frage: Wie kann man eine Figur so anlegen, dass der weitere Weg als Schurkin zwar nachvollziehbar ist, aber für die Dauer des Films dennoch die Figur genügend Sympathien vom Publikum einheimst, um als Hauptfigur interessant zu sein? Zum Anderen: Wie gelingt dieser Spagat, ohne dass tränendrüsenreich auf die Tube gedrückt wird und jene Cruella De Vil, die später so erbittert den herzigen Dalmatinern nachstellt, zur Karikatur wird? Hut ab vor Craig Gillespie und Emma Stone, die sich als kongeniales Duo bei der Umsetzung dieser schwierigen Aufgabe erweisen. Denn Emma Stone ist wohl die Idealbesetzung für diese Rolle, sie bringt die nötige Härte, die für die Rolle notwendig ist, genauso mit wie den Tropfen Unschuld, den es braucht, um eben Sympathien aufbauen zu können. Und Craig Gillespies Inszenierung ist makellos. Schon mit I, Tonya hat er gezeigt, dass er einen sehr erfrischenden Zugang zu konventionellen Biopics hat – und das stellt er in „Cruella“ erneut unter Beweis. Der Film ist temporeich erzählt, ohne aber in den richtigen Momenten vom Gas runterzugehen und den Figuren Raum zu lassen. Die zahlreichen Regieeinfälle unterstreichen das Geschehen auf der Leinwand perfekt, ohne zum Selbstzweck zu verkommen, die Ausstattung ist perfekt, die Kostüme sind es sowieso, wie es für einen Film über eine Modedesignerin auch zu erwarten war. Und als Gegenstück zu Emma Stones Estella, die erst zur Cruella werden muss, spielt Emma Thompson mit viel Freude eine überdrehte und kaltherzigere Version von Meryl Streeps Miranda Priestly aus Der Teufel trägt Prada. Auch Paul Walter Hauser, Joel Fry und Mark Strong sind gut besetzt und haben sichtlich ihren Spaß. Die ganze Energie überträgt sich dabei auf das Publikum, sodass die etwas mehr als zwei Stunden wie im Flug vergehen und man den Film am liebsten gleich noch mal sehen möchte. Ein unerwartetes Highlight meines bisherigen Filmjahres.


8,0 Kürbisse

(Bildzitat: © 2019 – Disney, Quelle http://www.imdb.com)

I, Tonya (2017)

Regie: Craig Gillespie
Original-Titel: I, Tonya
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Biopic, Komödie
IMDB-Link: I, Tonya


Im Vorfeld hatte ich relativ geringe Erwartungen an „I, Tonya“. Klar, die wahre Geschichte der Eiskunstläuferin Tonya Harding und ihrer Rivalin Nancy Kerrigan, der vor den Olympischen Spielen das Knie zertrümmert wird, ist ziemlich irre. Aber irgendwie war meine Erwartungshaltung heruntergedampft auf die typische Sportler-Bio, in dem Fall mit kriminalistischen Einschlägen. Dann kam der erste Trailer. Ich Ignorant! Nun, nach der Sichtung von „I, Tonya“ muss ich sagen, dass der Film – trotz geringfügiger Schwächen wie zB einer etwas zu langen Laufzeit mit einigen Redundanzen – zu denen gehört, die wohl bleiben werden. Margot Robbie als Tonya Harding ist eine Wucht. Völlig zurecht wurde sie für diese Leistung für einen Oscar nominiert, auch wenn ich Sally Hawkins und die letztlich verdiente Siegerin Frances McDormand da noch ein Stück darübergestellt hätte. Trotzdem: Großartig gespielt, vor allem die Unsicherheiten des Teenagerlebens wurden von ihr überzeugend dargestellt. Dass ihr Allison Janney als Mutter dennoch in jeder Szene ein wenig die Show stiehlt, soll diese Leistung nicht schmälern – sondern noch mal unterstreichen, wie irre gut Janney in diesem Film ist. Dafür gab es dann tatsächlich auch den Goldmann für die beste Nebendarstellerin. Der männliche Cast (Sebastian Stan als Freund/Mann/Exmann Jeff Gillooly und Paul Walter Hauser als völlig vertrottelter bester Freund von Jeff) ist auch gut besetzt, vor allem, wenn man am Ende des Films Aufnahmen der realen Personen sieht. Was „I, Tonya“ neben den schauspielerischen Leistungen aber von vergleichbaren Biopics und/oder Sportfilmen abhebt, ist der rotzfreche Zugang zum Stoff. Denn erzählt wird die Geschichte von den Protagonisten selbst, die für Interviews ihre Sicht der Dinge darstellen. In den Szenen selbst durchbricht Regisseur Craig Gillespie zudem oft die vierte Wand, zeigt eine Szene, um sie im gleichen Augenblick durch die handelnden Personen zu negieren. Und dadurch wird „I, Tonya“ zu einem amüsanten bis teilweise aberwitzigen Vexierspiel mit den Möglichkeiten, deutet Vieles an, ohne sich aber festzulegen und dadurch einer moralischen Botschaft (wie auch immer diese aussehen mag) zu unterwerfen, sondern haut dem Zuseher einfach den Stoff hin als würde er sagen: „Das ist doch eine verrückte Sache, nicht wahr? Ich habe ja auch keine Ahnung, was damals passiert ist, vielleicht dieses, vielleicht jenes, aber hey – das alles ist einfach verdammt interessant!“

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 58 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


7,5
von 10 Kürbissen