Alice Guy

The Birth, the Life, and the Death of Christ (1906)

Regie: Alice Guy
Original-Titel: La vie du Christ
Erscheinungsjahr: 1906
Genre: Biopic, Historienfilm, Kurzfilm
IMDB-Link: La vie du Christ


Will man die Geburt des Sandalenfilms miterleben, muss man bis ins Jahr 1906 zurückgehen, als Filmpionierin Alice Guy-Blaché mit großem Aufwand den Monumentalfilm „La vie du Christ“ inszenierte. 300 Statisten wurden engagiert, aufwendige Kulissen gebaut, und mit einer Laufzeit von über einer halben Stunde setzte Guy-Blaché auch diesbezüglich neue Maßstäbe. Sie war damit quasi der Lav Diaz ihrer Zeit. Die Geschichte selbst sollte hierzulande hinlänglich bekannt sein, auch wenn das Christentum ja in heutiger Zeit nicht mehr ganz so sexy ist wie im tiefen Mittelalter, als man noch was bekam für seinen Ablasshandel. Dennoch: Die Story von dem Typen mit dem übertriebenen Selbstbewusstsein, der ans Kreuz genagelt endete, kennt man in unserem Breitengrad ganz gut. Hierzu kann uns Guy-Blaché auch nichts Neues erzählen. Will sie auch gar nicht. Stattdessen werden in kurzen Episoden einige High- und Lowlights aus dem Leben des Sandalenträgers abgearbeitet, wobei die Passionsgeschichte einen höheren Stellenwert genießt als die wilden Flegeljahre. Was allerdings wirklich beeindruckt, ist die Akribie, mit der die Geschichte umgesetzt ist. Kostüme, Ausstattung, personeller Aufwand – das alles sucht seinesgleichen im Kontext seiner Zeit. Dazu kommt eine der ersten beweglichen Kameraufnahmen der Geschichte, als die Kamera Jesus folgt, wie er gerade das Kreuz auf den Berg Golgota schleppt. Man muss bei solch alten Filmen auch immer die technischen Möglichkeiten und den Erfahrungsstand seiner Zeit berücksichtigen, möchte man eine faire Bewertung durchführen. Und ja, der Stoff ist wenig aufregend, die Erzählweise aus heutiger Sicht langatmig erzählt, manche Szenen wirken unfreiwillig komisch, und doch gelingt es „La vie du Christ“, auch heute noch über die gesamte Länge einer halben Stunde zu unterhalten, und das ist aller Ehren wert.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.tobis.de)

Die Folgen des Feminismus (1906)

Regie: Alice Guy
Original-Titel: Les résultats du féminisme
Erscheinungsjahr: 1906
Genre: Kurzfilm, Satire
IMDB-Link: Les résultats du féminisme


Wer diesem Blog folgt, wird wohl schon festgestellt haben, dass ich eine Bewunderung für die Anfänge des Kinos hege und aus jener frühen Zeit neben den kleinen Meisterwerken von Georges Méliès vor allem die Arbeiten von Filmpionierinnen wie Lotte Reiniger, Germaine Dulac oder Alice Guy-Blaché (damals noch Alice Guy) schätze. Während Lotte Reiniger mit ihren Scherenschnitt-Filmen mehr oder weniger den abendfüllenden Animationsfilm erfand (Die Abenteuer des Prinzen Achmed) und Germaine Dulac mit Die Muschel und der Kleriker noch vor Luis Buñuel den ersten surrealistischen Film ever ins Kino brachte, kann sich Alice Guy-Blaché auf die Fahne heften, den allerersten feministischen Film gedreht zu haben. Der knapp 7-minütigen Film „Die Folgen des Feminismus“ arbeitet mit einer einfachen, aber wirkungsvollen Idee: Die Geschlechterrollen sind umgekehrt. Während die Frauen rauchend und trinkend in Bars abhängen, erledigen die Männer die Hausarbeit und führen die Kinder spazieren, wo sie dann sexuell von den Frauen belästigt werden. Doch dann begehren sie auf und schmeißen die Frauen aus der Bar, um ihr angeborenes Recht einzufordern, sich selbst sinnlos zu besaufen und die Welt untertan zu machen. Ja, „Die Folgen des Feminismus“ ist ein perfides Stück Gesellschaftskritik, charmant getarnt als Komödie. Die Botschaft ist klar und unmissverständlich, doch durch die humorvolle Form gelingt es Alice Guy-Blaché, diese anzubringen, ohne die Herren vor den Kopf zu stoßen. Wenn das nicht genial ist, was dann?


8,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Falling Leaves (1912)

Regie: Alice Guy
Original-Titel: Falling Leaves
Erscheinungsjahr: 1912
Genre: Kurzfilm, Drama
IMDB-Link: Falling Leaves


Basierend auf einer Kurzgeschichte von O Henry, der selbst auch das Drehbuch zu diesem Kurzfilm geschrieben hat, erzählt Filmpionierin Alice Guy-Blaché von dem jungen Mädchen Trixie, das die Hiobsbotschaft, ihre Schwester würde an Tuberkulose versterben, wenn das letzte Blatt vom Baum gefallen ist, nicht hinnehmen möchte. Also macht sie sich auf den Weg, um ihre Schwester zu retten. „Falling Leaves“ ist sicherlich ein Rührstück und im Vergleich zu O Henrys Geschichte auch arg verkürzt, aber darüber sieht man gerne hinweg, finden sich doch in diesen etwa 12 Minuten genug schöne Momente, die zeigen, warum Alice Guy-Blaché ein solch hohes Ansehen unter Filmfans genießt. Es sind diese fast beiläufigen Dinge, wie zum Beispiel, als sich die Mutter, vor Schmerz gekrümmt, kurz wegdreht, als die kranke Winifred am Piano zu spielen beginnt, die den Film interessant machen. Auch der Versuch der kleinen Trixie, die herabgefallenen Blätter wieder am Baum zu befestigen, um ihrer Schwester Zeit zu verschaffen, ist einfühlsam in Szene gesetzt. Und auch die Darsteller:innen machen durch die Bank einen guten Job. Diese 12 Minuten Zeit kann man durchaus einmal investieren, wie ich finde.


6,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

The Cabbage Fairy (1896)

Regie: Alice Guy
Original-Titel: La fée aux choux
Erscheinungsjahr: 1896
Genre: Fantasy, Kurzfilm
IMDB-Link: La fée aux choux


Die Brüder Lumière, D. W. Griffith, Ferdinand Zecca, Edwin S. Porter, der von mir so hochgeschätzte Georges Méliès – man möchte meinen, die Anfänge des Films wären eine reine Herrendomäne gewesen. Dabei kommt der vielleicht weltweit erste Fantasy-Film von einer Frau, nämlich der Filmpionierin Alice Guy (später Alice Guy-Blaché). Und auch viele Kolleginnen schufen frühe Meisterwerke des Kinos, die in Sachen Kreativität, Witz und teils auch handwerklichem Geschick jenen ihrer männlichen Kollegen um nichts nachstanden, sie sogar übertrumpften. Es ist halt leider immer noch unfairer Bestandteil unserer Rezeption, dass die talentierten Damen gerne vergessen werden, während die Werke der Herren im Gedächtnis bleiben. „The Cabbage Fairy“, jener frühe Fantasy-Film von Alice Guy, mag vielleicht auf den ersten Blick nicht sonderlich erinnerungswürdig wirken, aber wenn wir auf das Jahr der Entstehung schauen, nämlich 1896, als die Technik des Films gerade einmal ein gutes Jahr alt war, ist das schon ein erstaunlicher Wurf. In diesem kurzen, einminütigen Film tanzt eine gutgelaunte Fee adrett durch ein Gemüsefeld und erntet dort unerwartete Früchte. Viel mehr passiert zwar nicht, aber es ist fast unmöglich, sich der Faszination dieses frühen Films zu entziehen, wenn man sich bewusst vor Augen hält, mit wie viel spielerischer Leichtigkeit und Witz das Thema schon in diesem frühen Anfangsstadium des Mediums umgesetzt wurde. Dafür gibt’s meine Bewunderung, die sich diesmal nicht in Kürbissen widerspiegelt, aber man muss natürlich festhalten, dass das Werk heute nur noch im Kontext seiner historischen Einordnung funktioniert und nicht mehr gut allein für sich stehen kann.


5,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)