Die Oscars 2019 – eine psychohygienische Nachbetrachtung

Das Leben ist vergänglich. Gerade noch heulte Olivia Colman herzerweichend auf der Bühne, und schon sind die Oscars 2019 wieder Geschichte. Alles war ein bisschen anders dieses Mal: Die Show hatte keinen Moderator, der durch den Abend führte, die Oscars selbst wurden stakkato-artig und uninspiriert nachgeschmissen, die Reden waren brav (Ausnahme: Spike Lee, aber das war zu erwarten), einer der unnötigsten Filme, die als Best Picture nominiert waren, wurde letztlich ausgezeichnet, und ich war bei meiner Oscar-Wette mit 11 von 24 erratenen Kategorien so mies wie noch nie zuvor. So schlurfte ich dann etwas betrübt nach Hause – wie nach einer langen Nacht, für die man sich Glitter und Glanz aufgelegt hat, und in der man Hüften schwingend in die Bars getänzelt ist, nur um am Ende einsam an der Würstlbude zu enden, wo das Fett der Käsekrainer auf das Sakko tröpfelt. Eh okay, so eine Käsekrainer, aber nicht das, was man eigentlich haben wollte. Einen Tag später habe ich das nun einigermaßen verdaut (die Oscars, nicht die Käsekrainer) und kann nun meinen Senf dazu abgeben (zu den Oscars, nicht zur Käsekrainer). Hier mein Fazit in 10 Punkten.

  1. Mehr Oscars für Olivia Colman, bitte. Ihre Dankesrede hat den Abend gerettet.
  2. Wäre ich Christian Bale, wäre ich jetzt definitiv ziemlich angefressen. Und das nicht nur wegen den Kilos, die ich mir als Dick Cheney angefuttert habe, sondern wegen des Oscars für Rami Malek. Der war eh okay als Freddie Mercury, und ich mochte den Film ja auch, aber was Christian Bale hingelegt hat, war einfach eine andere Liga.
  3. „The Favourite“ wurde schändlich übergangen. Nur ein Oscar (eben für Olivia Colman) bei zehn Nominierungen – das war ein schlechter Scherz der Academy. Profitiert hat darunter u.a. „Black Panther“. Und nichts gegen die popkulturelle Bedeutung der schwarzen Miezekatze, aber auch hier: „The Favourite“ spielte einfach in einer anderen Liga.
  4. Erst kurz vor Ende habe ich gecheckt, dass Alfonso Cuarón die wohl einmalige Gelegenheit hatte, persönlich gleich fünf Oscars in einer Nacht für einen Film einzuheimsen: Bester Film, beste Regie, beste Kamera, bestes Drehbuch und bester fremdsprachiger Film. Drei sind es schließlich geworden. Eh super, aber ausgerechnet für den besten Film hat es unverständlicherweise nicht gereicht. Daher gleich zu Punkt 5:
  5. Ein Oscar für „Green Book“ als bester Film? Und das bei der Konkurrenz? Academy, wir haben was zu bereden.
  6. Glenn Close muss wohl erst das Dutzend an Nominierungen vollmachen, ehe sie einen Oscar erhält. Aber immerhin gegen eine würdige Gegnerin verloren, die ausnahmsweise mal nicht Meryl Streep hieß.
  7. Spike Lee, du coole Sau.
  8. Lillian Moschen und Alexander Horwath, die auf ORF durch die Nacht begleitet haben, sind jetzt mein Oscar-Dreamteam. Geballte Kompetenz, und es war einfach unglaublich süß, wie Horwath, das cineastische Schlachtross, eine völlig bedröpptelte Lillian Moschen, die den „Green Book“-Oscar so wenig fassen konnte wie ich, aufmunterte mit Verweis auf sein fortgeschrittenes Alter, in dem man eine gewisse Gelassenheit auch für solche unverständliche Entscheidungen entwickelt.
  9. Bitte fragt mal Tina Fey, Amy Poehler und Maya Rudolph, was sie nächstes Jahr um diese Zeit so vorhaben. Falls sie noch nichts geplant haben sollten: Wie wäre es mit der Oscar-Moderation? Alternativ könnte man auch Awkwafina und John Mulaney fragen. In diesen beiden Fällen zeigte sich jedenfalls, was für ein Gewinn es ist, wenn jemand mit Humor und gekonnter Witzelei durch das Prozedere führt.
  10. Queen mag offenbar jeder.

Bis nächstes Jahr. Auch wenn das dieses Jahr so gar nicht meine Veranstaltung war, werde ich auch 2020 wieder stundenlang im Kino sitzen und Leuten dabei zusehen, wie ihnen nach 90 Sekunden das Mikro abgewürgt wird, während sie hektisch noch ihren Dank abfeuern an MandyTedAngelaFromTheProductionCompanyAllMyFriendsAndOfCourseMomAndDaaaa*stille*

 

8 Kommentare

  1. Auch wenn man kein Französisch und all die dummen Scherze nicht verstehen kann, möcht ich euch doch ein paar Schmankerln von der 44.César-Verleihung zeigen, denn das war die witzigste seit vielen Jahren ! Da haben sie Oscar weit hinter sich gelassen…

    Elie Semoun vergibt den César für die besten Kostüme in einer Anspielung an den 9-fach nominierten Film LE GRAND BAIN : https://www.youtube.com/watch?v=KTrPbP13acg

    Laurent Laffite mit einem unfassbar echt aussehendem Botox-Make Up :
    https://www.youtube.com/watch?v=rQ9CSywsvbI

    Laurence Arné prahlt, dass sie ein eigens für sie kreiertes Kleid trägt :
    https://www.youtube.com/watch?v=VovWkwwry3I

    Wie immer ein fiktiver Trailer, GAUGUCHE (einer Mischung aus den zwei Filmen LES TUCHES und GAUGUIN) : https://www.youtube.com/watch?v=sNh9_8UPlAc

    Der legendärste Trailer im Jahr von AMOUR, über den Onkel Michi gar nicht amused war, ist bereits ein Klassiker : STAR WARS 7 (mit engl. UT)

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  2. Sowas hab ich schon geahnt und mir das Ganze erst gar nicht angeschaut…
    Für mich war auch schon mit der Nominierung von BLACK PANTHER die Grenze an krampfhafter politischer Korrektheit und Scheinheiligkeit überschritten. Das geht ja gar nicht. Eigentlich schon letztes Jahr mit GET OUT, aber bitte, der war wenigstens halbwegs originell.
    Und wenn schon, dann muss man die Eier haben, BLACKKKLANSMAN und nicht GREEN BOOK auszuzeichnen. Schon aus Qualitätsgründen (war von den Nominierten mit großem Vorsprung der beste – habe VICE aber noch nicht gesehen), aber auch, wenn man unbedingt ein Statement vortäuschen möchte.

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  3. Sehr knackig und gut geschrieben :-) Dennoch erhebe ich bedingt Einspruch ;-) bedingt deshalb, weil ich in der Kategorie bester Film zwei Werke noch nicht gesehen habe. Aber aus den Kandidaten, die ich bereits gesehen habe (und da mein großer Favorit Aufbruch zum Mond schon allein bei den Nominierungen wirklich schmählichst übergangen wurde) sticht Green Book für mich deutlich hervor. Dieses Roadmovie ist endlich mal wieder ein Film, der sich unterm Strich verdammt gut anfühlt, und der, so wie ich vermute, auch deswegen wohl am ehesten die Academy abholen konnte. Weil das, was in Green Book passiert, so angenehm bodenständig ist. Eine Art Volkskino in all seiner Natürlichkeit. Das bringt Viggo Mordenden so schön aufs Tablett. Einen ähnlichen Effekt hatte damals schon Besser geht’s nicht erzielt. Das ist glaube ich der springende Punkt – das Filme wie The Favourite sicherlich und sogar ung´schaut künstlerisch wie du sagst in einer anderen Liga spielen, aber ich wage zu bezweifeln, dass das britische Königshaus des beginnenden 18. Jahrhunderts mit all seinen Intrigen emotional längst nicht so sehr die Brücke zum Gemüt des Zuschauers schlägt wie Green Book. Das gelingt diesem Film als Komödie so sensationell gut – das ist in diesem Genre ohnehin wahnsinnig schwer, hier wiedermal die Formel für einen Wohlfühlfilm verstanden zu haben. Und ich denke, deshalb hat Green Book gewonnen.

    Zum Nachlesen meiner Meinung zu Green Book:

    Green Book – Eine besondere Freundschaft

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    1. Servus, jetzt ist er da, der Kommentar. :-) Bei „Green Book“ sind wir zwei wohl mal ein gutes Stück auseinander, aber es wäre ja fad, wenn wir uns immer einig wären. Ich selbst mochte „Green Book“ schon ganz gern, aber der Film hat mich kalt gelassen, im Gegensatz zu zB „Roma“. Mir war „Green Book“ auch zu klischeebeladen. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass ich fast jede Szene voraussagen kann. Ich habe mich trotzdem gut unterhalten gefühlt, aber abgeholt hat mich der Film eben nicht. Für mich tatsächlich einer der schwächsten Oscar-Gewinner der letzten Jahre. Aber ich respektiere natürlich jede Meinung und freue mich, dass dich der Film so erreicht hat. Vielleicht klickt es bei mir ja bei einer wiederholten Sichtung. Manche Filme brauchen auch mehrere Anläufe.

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      1. Da geb ich dir recht – und ich mag es, wenn unterschiedliche Ansichten aufeinandertreffen, sich aber gegenseitig Gehör schenken. Beim Gefallen und Nicht-Gefallen von Filmen geht es sehr stark um die Stimmung, die man selbst gerade hat. Vielleicht hätte mich zu einer anderen Zeit z.B. BlackKklansman nicht so kalt gelassen wie dich eben Green Book.

        Bei Roma nähern wir uns wie es scheint wieder etwas an – der war formal natürlich ausgezeichnet, war aber, so finde ich, zu speziell, um als Bester Film zu gewinnen. Dafür gabs den Auslands-Oscar – eine Kategorie, die grundsätzlich mehr auf neue Sichtweisen wert legt.

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      2. Tatsächlich kann ich meistens mit den Nominierten für den besten fremdsprachigen Film mehr anfangen als mit jenen für den besten Film. Die durchschnittliche Qualität der Filme erscheint mir bei den Auslands-Oscars insgesamt etwas höher.

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